Überwachung durch NSA und BND NSA-Untersuchungsausschuss: Opposition bezichtigt Bundesregierung der Lüge

Berlin - Linke und Grüne im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages haben die Bundesregierung der Lüge bezichtigt. Sie habe vor der Bundestagswahl 2013 bewusst die Unwahrheit über Art und Ausmaß der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA und den Bundesnachrichtendienst verbreitet und damit „gezielt die Öffentlichkeit getäuscht“, sagte die Linken-Obfrau Martina Renner am Montag in Berlin. Das grüne Ausschuss-Mitglied Christian Ströbele betonte, wäre bekannt gewesen, was heute bekannt sei, dann wäre die Bundestagswahl anders ausgegangen.
Der grüne Ausschuss-Obmann Konstantin von Notz äußerte sich ähnlich. So sei vom damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla öffentlich der Eindruck erweckt worden, als liege ein No-Spy-Abkommen mit den USA in erreichbarer Nähe; dabei hätten die USA ein solches Abkommen nie wirklich gewollt. Überdies habe Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) den Satz geprägt: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Mittlerweile sei längst klar, so Linke und Grüne, dass der BND ebenfalls Freunde ausgespäht habe.
Das linke Ausschuss-Mitglied André Hahn erklärte deshalb, die personellen Konsequenzen seien unzureichend. Zwar ist Pofalla nicht mehr im Amt; er wechselte in den Vorstand der Deutschen Bahn AG. BND-Präsident Gerhard Schindler wurde im Sommer 2016 abgelöst – mit der Begründung, angesichts des Umzugs von Pullach nach Berlin und bevorstehender Reformen beim Auslandsgeheimdienst sei ein personeller Neuanfang erforderlich.
Auch der BND bespitzelte Verbündete
Mitarbeiter der Abteilung Technische Aufklärung mussten ihren Hut nehmen. Doch das sei zu wenig, monierte Hahn. Mindestens der Leiter der zuständigen Abteilung sechs im Kanzleramt, Günter Heiß, sei überfällig. Von Notz setzte an der Stelle einen anderen Akzent. Rücktritte seien nach zwei Tagen vergessen, sagte er und fügte hinzu: „Wir haben ein systemisches Problem.“ Das sei so nicht zu lösen.
Übereinstimmend warf die Opposition Union und SPD vor, den Skandal auch nach jahrelanger Aufklärungsarbeit im Ausschuss zu beschönigen. Das Gremium wird in der kommenden Woche nach dreijähriger Arbeit seinen Abschlussbericht präsentieren. Dabei sind Linke und Grüne mit dem Inhalt dieses Berichts nicht einverstanden. Aus diesem Grund präsentierten sie jetzt ein insgesamt 456-seitiges Sondervotum.
Im Sommer 2013 hatte der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden Massenüberwachungspraktiken enthüllt. Später stellte sich heraus, dass nicht allein die National Security Agency – teilweise unterstützt vom BND – derartige Praktiken anwandte, sondern der BND selbst Verbündete und sogar einen deutschen Diplomaten ins Visier nahm. Dies geschah durch so genannte Selektoren (Suchbegriffe), mit deren Hilfe Datenströme durchkämmt wurden.
US-Justiz will Snowdens Auslieferung
Die offiziellen Erklärungen lauteten zunächst, davon wisse man nichts. Dann hieß es, verantwortlich seien Mitarbeiter auf unteren Ebenen, die ohne Wissen und Erlaubnis der BND-Spitze sowie des Kanzleramtes gehandelt hätten. Zugleich wurde stets aufs Neue behauptet, dass Deutschlands Sicherheit ohne die Unterstützung der NSA nicht gewährleistet sei. Schindler bezeichnete Snowden als Verräter. Die Parlamentarier durften die Selektoren nicht einsehen; damit wurde der einstige Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich beauftragt, der wiederum nur einen kleinen Teil seiner Erkenntnisse an die Abgeordneten weiter gab.
Renner sagte gestern, wer im Einzelnen gelogen habe, sei schwer zu ermitteln. Sie fuhr fort: „Vielleicht gibt es irgendwann einen deutschen Whistleblower, der uns die ganze Wahrheit erzählt.“ Von Notz erklärte: „Dass Snowden sich bei Putin verstecken muss, schadet der ganzen westlichen Welt.“ Die US-Justiz will seine Auslieferung; Snowden müsste mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. Zudem sei klar, dass das massenhafte Sammeln von Daten gar nichts bringe, befand der Grünen-Politiker. Über den Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, habe man schließlich fast alles gewusst. Den Anschlag mit zwölf Toten und Dutzenden Verletzten habe er dennoch begangen.