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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Rüttgers droht Denkzettelwahl

Von Claus Haffert 03.05.2010, 09:03

Düsseldorf/dpa. - Seit Wochen rackern sich Jürgen Rüttgers undHannelore Kraft im Wahlkampf ab. Der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident und die SPD-Spitzenkandidatin besuchen Firmen,verteilen Blumen und streiten sich vor Kameras. Bislang ohnedurchschlagenden Erfolg - jedenfalls wenn man die Meinungsumfragenzum Maßstab nimmt. Die Demoskopen verkünden beständig ein Pattzwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Keines der beiden Lager könntealleine regieren, wenn die Bürger am kommenden Sonntag tatsächlich soabstimmen, wie sie es in den Umfragen ankündigen.

Rüttgers hatte die CDU bei der Landtagswahl 2005 nach 39 Jahrenzurück an die Macht in Düsseldorf geführt. Damals profitierte er vomUnmut der Wähler über Rot-Grün in Land und Bund. Diesmal muss erselbst fürchten, Opfer einer Denkzettel-Wahl zu werden. «Nordrhein-Westfalen ist zu schön, um als Fußabtreter zu dienen», warnt erdeshalb in seinen Wahlkampfreden. Rüttgers' Probleme sind aber nichtnur aus Berlin importiert. Mit der Affäre um Gesprächsangebote mitdem Regierungschef gegen Bezahlung hat die CDU selbst für reichlichNegativ-Schlagzeilen gesorgt. Und nur eine Woche vor der Wahl bekamer schon wieder Ärger wegen der Finanzpraktiken seiner Partei.

Nach dem Wahlsieg 2005 hatte sich Rüttgers zum «Vorsitzenden derArbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen» ernannt. Jetzt muss erfeststellen, dass es ihm nicht gelungen ist, aus dem SPD-LandNordrhein-Westfalen ein CDU-Land zu machen. Für die Sozialdemokraten,die noch im vergangenen Jahr bei der Kommunal- und bei derBundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte desLandes einfuhren, ist die CDU urplötzlich wieder in Reichweite.

Noch beunruhigender muss für Rüttgers sein, dass er den Umfragenzufolge keinen Amtsbonus mehr besitzt. Herausforderin Kraft hat beider Frage, wen die Bürger direkt zum Ministerpräsidenten wählenwürden, zum Amtsinhaber aufgeschlossen, in einer Umfrage hat siesogar einen kleinen Vorsprung. Kraft sei im Wahlkampf «erstaunlichstark» bescheinigte selbst der aus der SPD ausgetretene Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement der Rüttgers-Herausforderin. GuteWorte über SPD-Politiker findet er sonst kaum noch.

Bei allen Differenzen in der Sache, an einem Punkt stimmenRüttgers und Kraft überein. Sie verraten den Wählern nicht, was siemachen werden, wenn es für ihre Wunschkoalitionen nicht reicht. «Ichmöchte nicht mit den Grünen koalieren», beantwortet Rüttgers Fragennach Schwarz-Grün. Gleichzeitig sendet er aber grüne Signale aus.NRW will er zur umweltfreundlichsten Industrieregion machen. SeinenKoalitionspartner FDP hat Rüttgers mit seiner Absage an eineSteuersenkung auch im Jahr 2012 verärgert. Vom Motto desKoalitionsvertrags von 2005 «Privat vor Staat» will er nichts mehrwissen.

Was die Grünen für Rüttgers sind, ist die Linkspartei für Kraft.Ohne die Linke habe die SPD keine Machtperspektive, halten ihr CDUund FDP unablässig vor. Die SPD-Chefin nährt diese Vorwürfe mit nichteindeutigen Äußerungen über die Linke. Mehr als ein «nichtkoalitions- und regierungsfähig« ist ihr im Wahlkampf nicht über dieLippen gekommen. Den ursprünglich Zusatz «derzeit» hat sie mehr undmehr fallen gelassen.

Angesichts der Umfragen könnte Nordrhein-Westfalen wieder einmalzum politischen Laboratorium werden. Sozial-Liberal (1966) und Rot-Grün (1995) wurden zunächst in Düsseldorf ausprobiert, bevor dieseKoalitionen später auch im Bund an die Macht kamen. Schwarz-Grün amRhein könnte eine ähnliche Signalwirkung zukommen.

Die Grünen tun sich mit einem solchen Bündnis aber ebenso schwerwie die CDU. Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann gilt alsBefürworterin von Schwarz-Grün («mögliche Zweitoption»). Nach Unmutan der Parteibasis über die Flirts mit der Rüttgers-CDU hat sie sichin den letzten Wahlkampftagen jedoch immer kritischer über die Uniongeäußert. Ein kleiner Parteitag hat am Sonntag Schwarz-Grüne aberweiter offen gehalten, ebenso wie ein rot-grün-rotes Bündnis.

Die in den Abwärtssog der Bundes-FDP geratenen NRW-Liberalenhaben unterdessen ihre Warnungen vor einer Koalition von CDU undGrünen verschärft. Wer CDU wähle, könne am Montagmorgen mit Schwarz-Grün aufwachen, wirbt FDP-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart um dieZweitstimmen von CDU-Wählern. Eine Kampagne, die sich in Nordrhein-Westfalen erstmals richtig lohnt. Denn auf Wunsch der FDP hatSchwarz-Gelb für Landtagswahlen die Zweitstimme eingeführt.