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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Land setzt bei Integration auf Türkischunterricht

Von Christiane Jacke 10.04.2006, 07:16
Auf dem Mäppchen einer Schülerin des Clauberg-Gymnasiums in Duisburg ist ein Türkei-Schriftzug zu lesen. (Foto: dpa)
Auf dem Mäppchen einer Schülerin des Clauberg-Gymnasiums in Duisburg ist ein Türkei-Schriftzug zu lesen. (Foto: dpa) dpa

Duisburg/dpa. - Die Schüler gestikulieren, lachen zwischendurchviel. Sie sprechen mit ihrem Lehrer über «Kilim», Teppichkunst ausAnatolien. Eine zehnte Klasse am Clauberg-Gymnasium in Duisburg hatTürkischunterricht. Was der nordrhein-westfälischeIntegrationsbeauftragte flächendeckend für das ganze Land geforderthat - Türkisch als normales Schulfach bis zum Abitur - ist aneinzelnen Schulen in Nordrhein-Westfalen längst Praxis.

In der Integrationsdebatte ist der Ansatz umstritten. Fördert einegrößere Sicherheit in der Muttersprache auch das Lernen der deutschenSprache? Und erleichtert das Wissen um die Herkunft die Eingliederungin eine neue Kultur? Oder verschärft der Türkischunterricht gar dieAusgrenzung türkischstämmiger Schüler?

In der Praxis zeigt sich im Augenblick zumindest ein Dilemma:Solange nur wenige Schulen den Türkischunterricht bieten, werden sievon überdurchschnittlich vielen türkischen Schülern besucht, was zuseiner Ausgrenzung innerhalb der Schullandschaft führt und mancheEltern abschreckt.

Die Schüler am Clauberg-Gymnasium haben von der siebten Klasse anTürkisch. Ein paar Mädchen in der Klasse tragen Kopftuch, vieleandere sind geschminkt, tragen Schmuck und moderne Kleidung. Allehaben einen türkischen Hintergrund, sind entweder selbst in derTürkei geboren, oder aber ihre Eltern.

Für Nicht-Muttersprachler sind die Sprachanforderungen für denUnterricht zu hoch. In den Türkisch-Stunden nehmen die SchülerGeschichte, Kultur und Literatur des Heimatlandes durch. «Es spielteine große Rolle für die Identitätsbildung, dass man weiß, wo manherkommt», sagt Ahmet Özcan. Der 46-Jährige ist selbst Türke undunterrichtet seit zwölf Jahren an der Duisburger Schule.

Wenn er über den Schulhof geht, sprechen ihn von allen SeitenSchüler an, meist auf Türkisch. «Er ist für uns nicht nur ein Lehrer,sondern wie ein Vater oder ein großer Bruder», sagt Tugba. Sie sitztauch bei ihm im Kurs der zehnten Klasse. Özcan weiß, dass er alstürkischer Lehrer eine wichtige Brücke für seine Schüler ist: «Ichhabe einen ganz anderen Zugang zu ihnen.»

Problem-Potenzial gäbe es genug am Clauberg-Gymnasium. 577Schüler, 67 Prozent davon mit ausländischem Hintergrund. 20 Nationenlernen hier unter einem Dach, die meisten von ihnen sind Türken.«Natürlich kann es da mal Spannungen geben - oder Gruppenbildung jenach Muttersprache», sagt Schulleiter Hartmut Roth. Von demVorschlag, Deutsch als Pflichtsprache auf dem Schulhof einzuführen,hält er aber nichts. Das sei Diskriminierung, meint er.

Seit rund fünfzehn Jahren gibt es Türkisch als Schulfach amClauberg-Gymnasium. Mit dem Angebot ist auch der Anteil dertürkischstämmigen Schüler gewachsen. In Duisburg sei das Clauberg-Gymnasium als «Türkenschule» verschrien, sagen die Lehrer. Roth störtdas nicht. Er steht zu seinem Schulprogramm, ist stolz, dass jedesJahr 60 bis 70 Prozent seiner Abiturienten aus Migrantenfamilienkommen.

Eine stärkere Verbreitung von Türkisch als Schulfach wäre für Rothein Segen. «Das würde der Gettoisierung der Schulen abhelfen», meinter. Die Lage entzerrte sich. Auch Professor Sargut Sölcün vomLehramtsstudiengang Türkisch an der Universität Duisburg-Essenverspricht sich viel von dem Vorschlag. An seinem Institut bildet erTürkisch-Lehrer aus - als eine von zwei Fakultäten dieser Art inDeutschland.

«Manche Schüler, die in anderen Fächern sehr still sind, blühen inden Türkisch-Stunden richtig auf», sagt Özcan. Aus seiner zehntenKlasse wollen alle Türkisch als Abiturfach wählen. «Für uns ist esein Vorteil», sagt Tugba. Eine Aussicht auf gute Noten - und auf ein«Erfolgserlebnis».

Canan (l.) und Muhammed verfolgen im April 2006 den Türkisch-Unterricht am Clauberg-Gymnasium in Duisburg. (Foto: dpa)
Canan (l.) und Muhammed verfolgen im April 2006 den Türkisch-Unterricht am Clauberg-Gymnasium in Duisburg. (Foto: dpa)
dpa