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Nordirland Nordirland: Frieden verhilft dem Land zum Aufschwung

Von Thomas Burmeister 09.08.2006, 06:47
Ein Mural (Wandbild) von Kämpfern der protestantischen Untergrundorganisation «Ulster Volunteer Force» (UVF) im Protestanten-Viertel an der Shankill Road in Belfast, aufgenommen am 04.08.2006. (Foto: dpa)
Ein Mural (Wandbild) von Kämpfern der protestantischen Untergrundorganisation «Ulster Volunteer Force» (UVF) im Protestanten-Viertel an der Shankill Road in Belfast, aufgenommen am 04.08.2006. (Foto: dpa) dpa

Belfast/dpa. - Nachts sind in Belfast wieder Panzerwagen unterwegs. Doch kein Mensch flieht vor den einst so gefürchteten«Humber Pigs». Anstelle von Maschinengewehren besitzen sie nun Super-Soundanlagen. Aus den Luken schauen nicht Soldaten, sondernNachtschwärmer. Willkommen in der Metropole Nordirlands, der jüngstenPartyhochburg Großbritanniens.

«So etwas haben wir nicht zu träumen gewagt», sagt FearghalO'Connor. Der Unternehmer hat Panzerwagen aus der Zeit der«Troubles», des bewaffneten Nordirlandkonflikts, aufgekauft undveranstaltet damit Partytouren durch Belfast. Wo einst die Angstherrschte, blüht das Nachtleben. Und die martialischen «Murals»,(Wandbilder), die einst in den bis heute getrennten Wohngebieten denKampfgeist von Katholiken oder Protestanten schürten, ziehenHeerscharen ausländischer Touristen an.

Nahezu 4000 Menschen sind dem Nordirlandkonflikt zum Opfergefallen, seit sich Katholiken und Protestanten 1969 in Londonderryin Barrikadenkämpfe verstrickten. 1998 keimte mit demKarfreitagsabkommen endlich die Hoffnung auf dauerhaften Frieden.Auftrieb erfuhr sie vor einem Jahr. Die wegen ihrer Terroranschlägegefürchtete Irisch-Republikanische Armee (IRA) erklärte im Sommer2005 die «endgültige» Abkehr vom bewaffneten Kampf.

Allein mit politischen Mitteln will die IRA nach eigenem Bekundenfür die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland eintreten.Der als Gutachter berufene kanadische General im Ruhestand John deChastelain bescheinigte: Die IRA hat vollständig abgerüstet. Diewomöglich wichtigste Grundlage für Frieden in Nordirland ist jedochseit 1998 durch eine enorme wirtschaftliche Entwicklung geschaffenworden. Etliche Unternehmen nutzten den Waffenstillstand undbritische sowie EU-Beihilfen für Investitionen.

Durch die Öffnung der Grenze konnte Nordirland zudem kräftig vomAufschwung in der Republik Irland profitieren, die sich seit dem EU-Beitritt 1973 vom Armenhaus zu einem der wohlhabendsten Länder derEuro-Zone gemausert hat. Ähnlich wie beim Nachbarn ging dieArbeitslosigkeit in Nordirland erheblich zurück - von nahezu 18Prozent auf heute nur noch 4,5 Prozent.

«Trotz wirtschaftlicher Erfolge beklagen wir in der Politik einVakuum», sagt der britische Nordirland-Minister Peter Hain. ImStormont, dem Parlament Nordirlands, herrscht Friedhofsruhe. VierJahre nach dem Karfreitagsabkommen war die dadurch möglich gewordeneSelbstverwaltung Nordirlands an Streitigkeiten zwischen derKatholiken-Partei Sinn Féin unter Gerry Adams und derprotestantischen Demokratischen Unionisten-Partei (DUP) unter IanPaisley zerbrochen.

Nun haben die Regierungen in London und Dublin die 108 Stormont-Abgeordneten aufgefordert, sich auf eine erneute Selbstregierung derRegion zu verständigen. Sinn Féin - und ihr militärischer Flügel IRA- bekennen sich dazu. Jedoch zögert der 80 Jahre alte Presbyterianer-Pfarrer Paisley, der den Verbleib Nordirlands im KönigreichGroßbritannien gefährdet sieht, seine Zustimmung zur Machtteilung mitden Katholiken hinaus.

Allerdings haben der britische Premierminister Tony Blair und seinirischer Amtskollege Bertie Ahern ihre Forderung mit einem Ultimatumversehen. Die Stormont-Abgeordneten sollen bis zum 24. November eineparteiübergreifende Regierung bilden - andernfalls verlieren sie ihreBezüge von jährlich 85 000 Pfund (126 000 Euro). Nordirland würdedann wieder vollständig von London aus regiert werden, wobei Dublineine Mitspracherecht hätte. «Wenn die Lokalpolitiker dies vermeidenwollen», sagt Hain, «dann sollen sie in den Stormont gehen und einegemeinsame Selbstverwaltung bilden.»