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Niederlande Niederlande und Türkei : Diplomatische Eskalation stützt nur die Scharfmacher um Geert Wilders

Von Peter Riesbeck 12.03.2017, 11:11
Recep Tayyip Erdogan (l.) mit Mark Rutte bei einem Besuch der Niederlande im März 2013
Recep Tayyip Erdogan (l.) mit Mark Rutte bei einem Besuch der Niederlande im März 2013 ANP

Brüssel - Rotterdams Bürgermeister fand den Vergleich mehr als unpassend. „Sie sollten sehr wohl wissen, dass ich Bürgermeister einer Stadt bin, die von den Nazis bombardiert wurde“, sagte Ahmed Aboutaleb in der Nacht zu Sonntag in Richtung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Und Erdogan sollte wissen, dass Rotterdams Bürgermeister in Marokko geboren wurde, als Sohn eines Imams, und dass der Sozialdemokrat Aboutaleb selbst bekennender Muslim ist.

Nützt alles nichts in diesen aufgeheizten Tagen. Die niederländischen Behörden hatten am Vortag erst dem Flieger des türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Landeerlaubnis entzogen, dann die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya des Landes verwiesen. Per Helikopter war ihre Limousine zur niederländisch-deutschen Grenze begleitet worden. Am Sonntagmorgen reiste die Ministerin von Flughafen Köln-Bonn aus zurück in die Türkei. Erdogan sah im holländischen Vorgehen „Nazi-Relikte“ am Werk. Und er hatte mit Blick auf die Niederlande erklärt: „Sie sind Faschisten.“

Nazi-Vorwurf wiegt schwer in den Niederlanden

Ein Vorwurf, der schwer wiegt in den Niederlanden. Dem Land Anne Franks. Dem Land, in dem die deutsche Luftwaffe am 14. Mai 1940 die Innenstadt Rotterdams in Schutt und Asche legte. Eine Narbe, die bis heute wirkt. Und eine Narbe, die Alteingesessene und Neuankömmlinge wie Aboutaleb über ein gemeinsames Gefühl des Verlusts der alten Heimat verbindet.

Aboutaleb war denn auch einigermaßen aufgebracht, als er in der Nacht zu Sonntag um kurz nach halb zwei Uhr in der Früh vor die Presse trat und dem türkischen Generalkonsul der Täuschung bezichtigte. Die niederländischen Behörden hatten Ministerin Kaya vorher zur Persona non grata – zur unerwünschten Person – erklärt. Ein ungewöhnlicher Schritt, nachdem die Niederlande zuvor in einem weiteren ungewöhnlichen Schritt Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker im Land untersagt hatte.

Proteste in Rotterdam

Der türkische Generalkonsul in Rotterdam hatte laut Aboutaleb dennoch an den Vorbereitungen zu Kayas Auftritt festgehalten. So kam es zur medienwirksamen eskortierten Ausweisung der Ministerin. Und zu protürkischen Demonstrationen in Rotterdam. Backsteine und Blumentöpfe flogen. Die Polizei habe Wasserwerfer eingesetzt, so Aboutaleb. Der türkische Premierminister Binali Yildirim mahnte zur Besonnenheit. Eine der wenigen besonnen Äußerungen an diesem Wochenende.

Es sollte bei wenig Besonnenheit bleiben. Yildirim kündigte Gegenmaßnahmen an. Und er erklärte: „Unsere sogenannten europäischen Freunde, die bei jeder Gelegenheit die Demokratie, die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte anführen, haben schwer versagt.“ Schön, wer sich in der Fremde auf die Demokratie und ihre Rechte beruft, sie in der Heimat aber verwehrt.

Zynische Doppelmoral der türkischen Regierung

Die zynische Doppelmoral passt zur Stimmung in diesen Tagen. Nicht nur in der Türkei wird Wahlkampf geführt in diesen Tagen, in den Niederlanden wird am kommenden Mittwoch gewählt. „Schön. Ohne die PVV wäre dieser Beschluss nie gefasst worden“, twitterte Geert Wilders, der Chef der radikal-rechten Freiheitspartei PVV.

Er hatte in den Umfragen lange geführt, war zuletzt aber abgefallen. Die Debatte um Auslandsauftritte türkischer Politiker kam ihm daher äußerst gelegen. Und der rechtsliberale Premier Mark Rutte machte den entscheidenden Fehler. Er machte aus den Wahlveranstaltungen eine Frage von Recht, Ordnung und Souveränität und untersagte sie. Die Mitte wandert nach rechts.

Sieg für die Scharfmacher

Auch Rutte meldete sich noch in der Nacht zu Sonntag zu Wort. „Unverantwortlich“, nannte er den Entschluss der türkischen Ministerin Kaya, nach Rotterdam zu reisen. Erschreckend, wie schnell Liberalität verkommt. „Diese Eskalation hilft niemandem“, twitterte Tunahan Kuzu von der protürkischen Migrantenpartei Denk.

Nun, vielleicht den Scharfmachern in diesem doppelten Wahlkampf. Fortsetzung folgt. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu wich am Sonntag ins französische Metz aus. Auch in Frankreich herrscht Wahlkampf. Kollateralschäden willkommen.

Verhältnis zu Russland ist ebenfalls angespannt

In den Niederlanden hatten sie die jüngste Annäherung der Türkei mit Russland ohnehin kritisch gesehen. Nicht nur das holländisch-türkische Verhältnis ist unterkühlt. Auch die niederländisch-russischen Beziehungen sind seit dem Abschuss des Fliegers MH17 vor drei Jahren über der Ukraine mit 298 Toten gespannt. Derzeit versucht Ruttes Regierung eine Anklage gegen die Verantwortlichen auf den Weg zu bringen. Unruhe und Verzögerungen sind da nicht förderlich.