Neue Vorwürfe Neue Vorwürfe: US-Soldat berichtet über Grausamkeiten und Tötungen im Irak

London/Washington/dpa. - Immer wieder hätten sie irakische Zivilisten niedergemetzelt,Verletzte ohne ärztliche Hilfe einfach an den Straßenrand gerollt,Leichen ausgeplündert und geschändet. Massey hat den Streitkräfteninzwischen den Rücken gekehrt und wird wegen Depressionen undposttraumatischem Stress behandelt.
Einmal hätten sie auf eine Gruppe von zehn Demonstranten gefeuert,weil sie in der Ferne einen Schuss gehört hätten, berichtete er. Neunseien umgekommen, dem zehnten sei ein halber Fuß abgerissen worden.«Er humpelte weg und zog seinen Fuß hinter sich her. Wir haben allegelacht und gejubelt.» Irgendwann sei es ihm zu viel geworden, und erhabe sich an seinen Vorgesetzten gewandt: «Ich habe ihm gesagt, ichhätte das Gefühl, dass wir im Irak Völkermord begehen. Der Offizierhabe ihn dann als «Schwächling» beschimpft.
Nach einem Bericht der «Sunday Times» hat das britischeAußenministerium das unnachgiebige Vorgehen der US-Truppen im Irak ineinem internen Papier kritisiert: Diese Strategie habe dieKoalitionstruppen «viel öffentliche Unterstützung gekostet», heiße esin dem Dokument. Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, einParteifreund von Premierminister Tony Blair, forderte am Samstag beieiner Kundgebung in der britischen Hauptstadt, US-Präsident George W.Bush müsse als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden.
Die US-Armee hat nach einem Bericht derTageszeitung «New York Times» anders als bislang dargestellt imIrak die Genfer Konventionen zum Schutz von Kriegsgefangenen bewusstgebrochen. Das Blatt zitierte am Sonntag aus einem Antwortbrief derArmee an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), wonach esdie «militärische Notwendigkeit» gebe, einige Gefangene wegen ihresmöglicherweise bedeutsamen Wissens für die Verhöre zu isolieren.Außerdem könnten Gefangene, die ein Sicherheitsrisiko darstellten,ganz legal anders behandelt werden als Kriegsgefangene. Es gebe aberklare Anweisungen für Verhöre, die eine inhumane Behandlungausschließen sollten.
Bei ihren Aussagen vor Ausschüssen des US-Kongresses in denvergangenen Wochen hatten Vertreter der US-Regierung und der Armeegesagt, dass die Genfer Konventionen vollständig auf den Irakanwendbar seien.
In dem drei Seiten langen Antwortbrief an das Rote Kreuz vom 24.Dezember 2003, der von der US-Generälin Janis Karpinski unterzeichnetwurde, verteidigt das Militär nach Angaben des Blattes seineMaßnahmen gegen «Sicherheitsgefangene». Danach beruftsich die US-Armee auf eine Ausnahmeregelung im Artikel 5 der IV.Genfer Konvention. Darin heißt es, dass eine Person sich nicht aufdie Rechte und Vorrechte des Abkommens berufen könne, wenn sie unterdem begründeten Verdacht stehe, eine der Sicherheit des Staatesabträgliche Tätigkeit zu betreiben oder sich tatsächlich schonsolchen Tätigkeiten widme.
Nach Rechtsauffassung des IKRK darf dieser Artikel nur aufEinzelpersonen und in Ausnahmefällen angewendet werden. Die «New YorkTimes» schreibt unter Berufung auf den Bericht des IKRK nach einemBesuch im US-Militärgefängnis von Abu Ghoreib vom Oktober vergangenenJahres, dass dort 601 Iraker als so genannte Sicherheitsgefangeneinhaftiert gewesen seien. Die meisten hätten weder etwas von dengegen sie erhobenen Vorwürfen noch von den vor ihnen liegendenVerfahren gewusst.
Die US-Armeeführung im Irak soll nach einemBericht der Tageszeitung «Washington Post» von umstrittenenVerhörmethoden und möglicherweise sogar auch von Misshandlungen imGefängnis von Abu Ghoreib gewusst haben. Einer der Anwälte der siebenangeklagten US-Soldaten beschuldige den US-Oberkommandierenden imIrak, Ricardo Sanchez, bei Verhören anwesend gewesen zu sein,schreibt das Blatt am Sonntag. Der Anwalt berufe sich dabei auf einenKompaniekommandeur, der im Gegenzug für seine Immunität zur Aussagebereit sein solle.
Bislang gibt es keinerlei Beweis, dass die US-Armeeführung dieMisshandlungen stillschweigend geduldet oder aber sogar geförderthat. Aus Sicht des US-Verteidigungsministeriums sollten die Aussagender Anwälte und Angeklagten mit «angemessener Vorsicht» behandeltwerden.
Bislang müssen sich sieben US-Soldaten sowie ein zivilerArmeemitarbeiter wegen der Misshandlung von irakischen Häftlingen vorGericht verantworten. Die «Washington Post» hatte am Samstag ausAussageprotokollen der sieben Soldaten zitiert, wonach dieMisshandlungen zur Bestrafung von Häftlingen aber auch zum puremVergnügen der Wärter passierten.
