Neonazi-Verband Neonazi-Verband: Die braunen Pfadfinder

BERLIN/MZ. - Nach der polizeilichen Auflösung eines HDJ-Lagers bei Rostock stießen die Ermittler im vergangenen Sommer auf Geschirrhandtücher und Tagebücher mit Hakenkreuzen und Runen, Zelte mit Aufschriften wie "Führerbunker" und "Entlausungsstation".
Neben solcherart zynischen Anspielungen auf die NS-Zeit belegten zahlreiche der beschlagnahmten Schriftstücke und Bücher unzweifelhaft, dass in dem "Schulungslager" nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet und selbst Kinder schon in "Rassenkunde" unterrichtet wurden. Auch sollten sie auf Landkarten Regionen wie "Memelland" und "Nordmark" eintragen. Zu dem am Nationalsozialismus orientierten Weltbild gehört auch, "Ausländer" und "Juden" als Bedrohung für das "deutsche Volk" darzustellen. Am Dienstag setzte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) "den widerlichen Umtrieben der HDJ ein Ende. Wir werden alles tun, um unsere Kinder und Jugendlichen vor diesen Rattenfängern zu schützen."
Der 1990 gegründete Verein ist nach Angaben des Verfassungsschutzes ein "neonazistisch ausgerichteter Jugendverband". Spätestens seit ansatzweise bekannt wurde, was den uniformierten Kindern im Alter zwischen acht und 14 Jahren in diesem typischen HDJ-Lager in Mecklenburg beigebracht werden sollte, wurden die Rufe nach einem Verbot lauter. Im Herbst vorigen Jahres hatte es dann Durchsuchungen bei HDJ-Funktionären vor allem in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen gegeben, um das Verfahren einzuleiten.
Auffällig sind seit Jahren inhaltliche und personelle Kontinuitäten zur verbotenen Wiking-Jugend (WJ). Diese war 1994 wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit der NSDAP und der Hitler-Jugend (HJ) aufgelöst worden. Auch wurde damals wie jetzt erneut untersagt, Ersatzorganisationen zu bilden.
Nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes unterhält die HDJ, der knapp 500 Mitglieder angehören, enge Kontakte zur rechtsextremen NPD. So ist etwa Jörg Hähnel, Liedermacher und NPD-Bundesvorstandsmitglied, auch in der HDJ aktiv. Wiking-Jugend und Heimattreue Deutsche Jugend gelten seit Jahrzehnten als Kaderschmiede für den braunen Nachwuchs. Auch Udo Pastörs, NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, marschierte schon bei der WJ mit und will jetzt für den Bundesvorsitz der NPD kandidieren.
Nicht nur die "Ferienlager", sondern auch normale Treffen sind straff organisiert und zumeist konspirativ. Offizieller Sitz des Vereins ist Plön bei Kiel; die Bundesführung war zuletzt in Berlin ansässig. Titel wie "Bundesführer" und die ihm unterstellte "Bundesmädelführerin", das an die HJ angelehnte Kürzel HDJ und die Aufmärsche in schwarz-weißen oder braunen Uniformen stehen gewiss nicht zufällig in der NS-Tradition.
Bis vor kurzem hatte der Verein auf seiner Homepage angegeben, mit Märschen, Appellen, Liederabenden und paramilitärischen Geländeübungen "deutschen Mädel und Jungen" im Alter von sieben bis 25 Jahren "ein Leben mit Tradition und Werten" für ein "unabhängiges Deutschland" anhand von "körperlicher und geistiger Lebensführung" beizubringen. Aus gutem Grund ist diese Seite mittlerweile abgeschaltet.
Verbote allein reichten aber nicht, betonte am Dienstag Innenminister Schäuble. "Wir brauchen verantwortungsbewusste Eltern, sensibilisierte Lehrerinnen und Lehrer und andere engagierte Vorbilder, die unseren Kindern und Jugendlichen Werte vermitteln, auf denen unsere freiheitliche Gesellschaft aufbaut."