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Namibia Namibia: Landreform der Regierung verunsichert weiße Farmer

Von Frauke Röschlau 25.05.2004, 13:52
«Südwest-Reiter», Standbild des Berliner Bildhauers Adolf Kürle gegenüber der Christuskirche in der namibischen Hauptstadt Windhuk. (Foto: dpa)
«Südwest-Reiter», Standbild des Berliner Bildhauers Adolf Kürle gegenüber der Christuskirche in der namibischen Hauptstadt Windhuk. (Foto: dpa) dpa

Windhuk/dpa. - «Wir werden zu Bauernopfern gemacht - wo bleibtda die Gerechtigkeit?» Mit dieser Aussage verabschiedet sich die 68-jährige Hilde Renate Wiese, um die wöchentlichen Bestellungen ausihrem großen Gemüsegarten unweit des vor 100 Jahren vom Großvatererbauten Hauses zu verpacken. Am 12. Mai, dem 75. Geburtstag vonNamibias Präsident Sam Nujoma, hatten sie und vier weitere Farmereinen Brief der Regierung bekommen. Darin werden sie «eingeladen»,die 4006 Hektar große Familienfarm innerhalb von 14 Tagen derRegierung zum Kauf anzubieten.

«Überrascht sind wir nicht», sagt sie zu dem Brief. Sie wertetihn als Folge eines sich seit September 2003 hinziehenden und vorGericht ausgefochtenen Arbeitsdisputs, der von den lokalen Medienausgeschlachtet und «verdreht» worden sei. Politiker nutzten imWahljahr den Disput als Beispiel für die Notwendigkeit, Farmer gegenEntschädigung zu enteignen.

Seit 1992 betreibt Hilde Wiese mit ihrem Sohn Andreas neben einerRinderfarm auch Gartenbau. Das Gemüse wird in der unweit gelegenenHauptstadt Windhuk vertrieben. Seit fünf Jahren werden auchZantadeschia (Calla-Pflanzen) erfolgreich nach Europa exportiert -bei einer guten Ernte rund 130 000 Stück im Jahr. Damit sichert sie15 Arbeitsplätze. Investitionen aus Deutschland und denNiederlanden, die 20 weitere Arbeitsplätze schaffen könnten, seienangesichts der derzeitigen Lage jedoch abgesagt worden.

«Wir haben immer ein gutes Verhältnis zu unseren Arbeiterngehabt, wir sprechen (die Stammessprache) Damara und liegen schonseit Jahren mit unseren Gehältern (zwischen 640 und 1070 Namibia-Dollar im Monat plus Haus, Wasser und eigener Garten) über demgesetzlich festgelegten Mindestlohn», sagt Hilde Wiese. «Die Leutewerden aufgewiegelt.»

Die Regierung sieht das anders. Am 1. Mai bezeichnete PräsidentNujoma in einer Ansprache den 32-jährigen Andreas Wiese alsKriminellen, dem das Handwerk gelegt werden müsse. DerGeneralsekretär der 150 000 Mitglieder starkenFarmarbeitergewerkschaft, Alfred Angula, fordert von den Farmern,sie sollten ihren Landbesitz mit den Landarbeitern «teilen». «UnsereLeute werden einfach auf die Straße gesetzt», wettert er. Dies könnenicht länger toleriert werden.

Rund 40 Prozent des Farmlands gehört überwiegend weißen Farmern,etwa 40 Prozent ist Stammes- oder Kommunalland, und rund 20 Prozentsind Naturparks. Seit 1990 sind 38 000 Menschen auf etwa 567 000Hektar angekauften Farmlandes umgesiedelt worden. Ins Visier geratenauch zahlreiche Deutsche und Südafrikaner, deren Grundbesitz in dereinstigen Kolonie Deutsch-Südwestafrika auf insgesamt rund 165Farmen mit 1,15 Millionen Hektar Land veranschlagt werden. Heuteleben noch rund 20 000 Deutschstämmige in dem schwach besiedelten,überwiegend aus Wüste bestehenden Land.

Für die Wieses ist die «Einladung» zum Verkauf blanker Hohn.Nicht nur steht nach dem Arbeitsdisput ein Gerichtsurteil gegen sie,sondern auch der Druck der Regierung, die rund neun Millionen HektarLand für die versprochene Landreform und die Ansiedlung von 240 000registrierten Landanwärtern benötigt. Sie hatte im Januar auf Grundeiner ihrer Meinung nach bisher «zu schleppend verlaufenenLandreform» die Maßnahme der Enteignung gegen Entschädigung nebendem bisher angewandten Prinzip «williger Käufer, williger Verkäufer»angekündigt.

«Welche Wahl bleibt uns denn?», fragt Hilde Wiese kopfschüttelnd,nachdem sie uns den mit hohen Zypressen gesäumten Familienfriedhofgezeigt hat. «Wenn wir nicht der Aufforderung folgen, einVerkaufsangebot zu machen, werden wir schlussendlich dochenteignet.» Bei fairer Entschädigung gebe es für ihre Kinder undEnkel auch in Namibia noch Perspektiven. Sie selbst werde sich dannzur Ruhe setzen.