Nahost Nahost: Sperrzaun macht Bevölkerung zu Gefangenen

Gaza/dpa. - Doch für die israelische Armee, die am Sonntag mit dem Bau einerähnlichen Sperranlage zum Westjordanland begann, sind die Leiden derpalästinensischen Bevölkerung zweitrangig. «Wir haben eine klareAufgabe: den Schutz der jüdischen Bevölkerung in Israel vor demTerrorismus. Und das haben wir durch den Zaun erreicht», heißt es imHauptquartier der Armee in Gusch Katif.
Die Armee hat in den vergangenen Jahren das Überwachungssystementlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israelperfektioniert. An der 45 Kilometer langen Ostgrenze des Streifenserrichtete sie einen hohen Zaun, der durch Bewegungsmelder,Fernsehkameras und Radar gesichert wird. Wachposten, die oft mitSoldatinnen besetzt sind, ergänzen die Überwachung. «Gelegentlichsetzten wir auch unbemannte Flugzeuge ein», erläutert derOberbefehlshaber für das südliche Israel, General Doron Almog.
Auch das umfangreiche Netz an Spitzeln und palästinensischenKollaborateuren, die die Geheimdienste über geplante Anschläge und«Ausbruchsversuche» informieren, hat dazu beigetragen, dass seitBeginn der Intifada vor fast 21 Monaten nur zwölf Palästinenser denZaun überwinden konnten. «Zum Glück waren keine Selbstmordattentäterdarunter», erklärt ein hoher Offizier nicht ohne Stolz. Auch über dasMeer, das ständig von israelischen Patrouillenbooten überwacht wird,gibt es kein Entkommen.
Für die palästinensische Bevölkerung, die zum Teil seit achtJahren in dem 360 Quadratkilometer kleinen Gebiet eingesperrt ist,hat die Einzäunung Folgen. «Etwa 90 Prozent aller jungen Leute habenden Gazastreifen nie verlassen», schätzt der Psychologe Ahmed AbuTauachina. Vor allem seit Beginn des jüngsten Konfliktes im September2000 sind sie fast völlig der Willkür der Besatzungsmachtausgeliefert.
Seit Beginn der Intifada sind die Grenzübergänge geschlossenworden. Und die Explosion der Gewalt palästinensischer Extremistengegen die Besatzungsarmee und die 19 jüdischen Siedlungen und ihre6000 Bewohner hat zu einer weiteren Eskalation geführt. «Zum Schutzeder jüdischen Bevölkerung», sagt der israelische Befehlshaber imGazastreifen, General Israel Siw, ist das extrem dicht besiedelteGebiet seit Monaten in drei Teile geteilt.
«Es ist für die Menschen praktisch unmöglich, von einem Ort zumandern zu kommen. Die 18 Kilometer lange Fahrt von Gaza nach ChanJunis im Süden dauert heute bis zu acht Stunden. Auch die ägyptischeGrenze, unser letztes Tor zur Welt, ist häufig geschlossen»,berichtet der Journalist Saud Abu Ramadan. Wirtschaftliche undkulturelle Aktivitäten sind praktisch zum Erliegen gekommen.
Bei den Betroffenen ist die fast totale Isolierung nicht ohneFolgen geblieben. «Der Dauerdruck und dazu noch die ständigenisraelischen Angriffe haben Wirkungen auf die Psyche der Menschen»,berichtet Psychologe Tauachina vom Behandlungszentrum für psychischeErkrankungen in Gaza. «Die Menschen leiden immer stärker unter derHoffnungslosigkeit und der eigenen Ohnmacht.» Klaustrophobie,Depressionen, post-traumatische Störungen, aber auch Bettnässen beizahllosen Kindern, haben solche Ausmaße erreicht, dass die wenigenPsychologen und ihre Helfer längst nicht mehr alle Geschädigtenbehandeln können. «Wir versuchen deshalb, den HilfesuchendenAnleitungen über öffentliche Veranstaltungen oder über Fernsehen undRundfunk zu geben.» Auch die häusliche Gewalt nehme offenbar zu. «DieMenschen fühlen sich von der ganzen Welt verlassen.»
