Nach Überfall in Potsdam Nach Überfall in Potsdam: Generalbundesanwalt Nehm weist Schönbohms Kritik zurück

Berlin/dpa. - Er verteidigte amMontag seine Übernahme der Ermittlungen wegen versuchten Mordes gegenAngriffe des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU).Die SPD pochte darauf, die Mittel im Kampf gegen den Rechtsextremismusnicht zu kürzen. Zu den Hintergründen der Tat gab es keine neuenErkenntnisse.
«Der Generalbundesanwalt muss in einem frühen Stadium über dieÜbernahme eines Verfahrens in seine Verfolgungskompetenz entscheiden»,sagte Nehms Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten in Karlsruhe. Schönbohmhatte am Wochenende die frühe Einmischung Nehms attackiert. «Ob eseinen rechtsradikalen Hintergrund gibt, müssen wir erst noch klären.Wir hätten diese Straftat in Brandenburg auch allein aufklärenkönnen», sagte er am Sonntagabend in der ARD. Nehms Sprecherin verwiesindes darauf, dass die Tatumstände - der Angriff auf einen Menschendunkler Hautfarbe und rassistische Äußerungen auf der Handy-Mailboxdes Opfers - weiterhin einen fremdenfeindlichen Hintergrund nahelegten.
Die SPD verabschiedete einen Aufruf gegen Rechtsextremismus undbezeichnete rassistische Übergriffe als «das Schlimmste undVerachtenswerteste, was gegenwärtig in der Bundesrepublik passiert».Zugleich kündigte die Partei an, die vom CDU-geführtenFamilienministerium geplante Kürzung der Mittel für Anti-Rechts-Programme zu blockieren.
Bislang sollen mit den dafür vorgesehenen 19 Millionen Euro von2007 an auch Programme zur Integrationsförderung und gegen denLinksextremismus finanziert werden. Grünen-Chef Reinhard Bütikoferforderte ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). «Alle,die in der Union sich darüber Gedanken machen, die müssen endlich malvon der Kanzlerin klipp und klar gesagt kriegen, dass sie das nichtmitmachen wird», sagte er dem Sender N24.
Bei den Ermittlungen werden weitere DNA-Spuren untersucht, um einemögliche Tatbeteiligung der beiden in Untersuchungshaft sitzendenMänner zu beweisen. Der 30-jährige Verdächtige hat nach Auskunftseines Anwalts erneut jegliche Tatbeteiligung bestritten. Sein Mandanthabe sich zur fraglichen Zeit nicht am Tatort befunden und sei zudemauch keiner rechtsorientierten oder fremdenfeindlichen Szenezuzuordnen, sagte Anwalt Sven-Oliver Milke in Potsdam. «Die bis jetztoffensichtlich noch nicht vollständig abgeschlossene gutachterlicheDNA-Analyse wird meinen Mandanten entlasten.»
Das lebensgefährlich verletzte Opfer liegt weiter im künstlichenKoma, sein Zustand ist aber stabil. Der Familienvater und Wasserbau-Ingenieur war am Ostersonntag in Potsdam niedergeschlagen worden.Unbestätigten Medienberichten zufolge könnte es sich auch um einenStreit zwischen Betrunkenen gehandelt haben.
Schönbohm geriet am Montag selbst verstärkt in die Kritik. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nannte das Verhalten des Ministers«hoch peinlich». Schönbohm solle «die staatsanwaltlichen Ermittlungennicht durch besserwisserische Kommentare beeinträchtigen», sagte erder «Netzeitung». Der brandenburgische Innenminister rechtfertigteseine Äußerungen: «Brandenburg ist kein braunes Land. Ich muss michwehren, wenn dieser Eindruck erweckt wird», sagte er dem«Tagesspiegel» (Dienstag).
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beklagte eine von Unionspolitikern ausgelöste«bizarre Debatte um Zuständigkeiten der Strafverfolgungsbehörden».Dabei werde aus den Augen verloren, wie es zu der Tat kommen konnteund dass Fremdenfeindlichkeit ein massives Problem in Deutschland sei.
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte Schönbohm.Wenn dieser nicht erkenne, dass es sich um eine rassistisch motivierteTat handele, «braucht er dringend Nachhilfeunterricht», sagte derGeneralsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem «Tagesspiegel»(Dienstag). Er lobte ausdrücklich Nehms Arbeit.