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Nach Rezo-Video Nach Rezo-Video: Aufregung bei der CDU - nur einer bleibt überraschend cool

Von Steven Geyer und Daniela Vates 24.05.2019, 11:54
Rezo hat ein Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ online gestellt.
Rezo hat ein Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ online gestellt. Privat

Berlin - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gilt in der CDU als echte Autorität, war Kanzleramtschef von Helmut Kohl, Innen- und Finanzminister. Nur ins Internet-Zeitalter ist er noch „schlecht integriert“, sagt er im RND-Interview. Umso gelassener kommentiert er die Aufregung um das Anti-CDU-Video von Rezo.

Es kam völlig unerwartet - und versetzte die CDU kurz vor der Europawahl plötzlich in helle Aufregung und rege Betriebsamkeit: Das Internet-Video des Youtubers Rezo, das laut dem 26-Jährigen eine verbale „Zerstörung der CDU“ sein will, wurde von den Wahlkämpfern im Konrad-Adenauer-Haus früher als gedacht als Gefahr im laufenden Wahlkampf gesehen - zumal es binnen weniger Tage mehrere Millionen Mal aufgerufen wurde.

Einstündige Tirade gegen die Union

Um die rund einstündige Tirade gegen die Union nicht unbeantwortet zu lassen und die jungen Wähler nicht Rezos Argumenten zu überlassen, wurde zunächst ein eigenes Video als Replik aufgenommen, dann aber nicht veröffentlicht; CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wies die Kritik im Video als Falschmeldung zurück; Parteichefin Kramp-Karrenbauer äußerte sich nur in einem Halbsatz; schließlich erschien ein nicht unterzeichneter Brief an Rezo, in die CDU erklärt, warum man lieber persönlich mit ihm reden als ein Antwort-Video veröffentlichen will.

Viel Wirbel, viel Unsicherheit also in der Union - nur einer bleibt cool: Wolfgang Schäuble. Der heute 76-Jährige ist der dienstälteste Bundestagsabgeordnete Deutschlands, er war für die CDU schon Partei- und Fraktionsvorsitzender, Kanzleramtschef unter Helmut Kohl, Innen- und Finanzminister. Seit zwei Jahren ist der Bundestagspräsident und zweiter Mann im Staat - eine Autorität in der CDU ist er schon lange.

Wolfgang Schäuble verfolgt Online-Debatten mit Sorge

Nur für die Empörungswellen, die im Internet entstehen, ist Schäuble kein Experte. Er sei nun einmal „Digital Immigrant“, sagt der Bundestagspräsident im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) - und noch dazu einer, der in der digitalen Welt „schlecht integriert“ sei, sagt er selbstironisch. 

Die Art der Debatte, die die Online-Medien und digitalen Netzwerke befeuern, sieht er aber mit Sorge: „Der Siegeszug des Internets, die sozialen Netzwerke, verändern den Ton und erschweren den Austausch von Meinungen, weil jeder in seiner Filterblase bleibt. Dadurch wird es schwer, zu Entscheidungen zu kommen“, sagte Schäuble dem RND. In dieser Form der Auseinandersetzung fänden sich nur noch Mehrheiten gegen eine Lösung, aber keine mehr für eine Lösung.

Die in sozialen Medien geläufige Zuspitzung auf sehr kurze Botschaften könne den Kern eines Themas oft nicht darstellen, findet Schäuble. Er glaube nicht, „dass sich die Kompliziertheit der Welt in 280 Zeichen erfassen lässt“, sagte er. Es sei bedenklich, dass junge Menschen oft zwar über viel Informationen verfügten, diese aber sehr fragmentiert seien. „Mich besorgt, wenn junge Menschen keine Bücher mehr am Stück lesen. Sie lesen Auszüge, sie wissen sehr viel und vielerlei. Aber sie lesen nicht mehr in Gänze. Ich fürchte aber, erst das befähigt zum selbstständigen Denken.“

Millionen Klicks

Die Aufregung, auch seiner eigenen Partei, über das Video des Online-Stars Rezo relativiert Schäuble deshalb auch gelassen: Vom RND auf die millionenfachen Abrufe des Anti-CDU-Videos mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“ angesprochen, sagt der Bundestagspräsident nur: „Niki Lauda ist gestorben, das haben bestimmt 150 Millionen Leute in Deutschland geklickt, obwohl wir nur 80 Millionen Einwohner haben.“

Vielleicht hätte der Unionsführung in Sachen Rezo etwas von der Coolness ihres Altvorderen gut getan. (RND)