Nach Erdbeben in Kathmandu Nach Erdbeben in Kathmandu: Tage des Schreckens

Kathmandu - Den dritten Tag gibt es keinen Strom in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Aber Jürgen Schick, ein Deutscher, der hier seit über 25 Jahren mit seiner nepalesischen Frau Lakshmi lebt, hatte einmal kurz Netz. Mit dem letzten bisschen Strom aus dem Laptop-Akku hat der bekannte Reiseführer wenigstens eine Nachricht an die beunruhigten Freunde und Bekannten in Deutschland geschrieben: „Wir sind mit dem Schrecken davongekommen: wir leben noch und sind gesund!“
Nicht selbstverständlich in Nepal in diesen Tagen, die die von einer Übergangsregierung verwaltete junge Republik erschüttern, wie es zuletzt der vor zehn Jahren beendete Bürgerkrieg getan hatte. In den ersten 72 Stunden nach dem Beben wurden mehr als 3.700 Leichen geborgen und mehr als 6.500 Verletzte gezählt, sagt Katastrophenschutz-Chef Rameshwor Dangal.
Die größte anzunehmende Katastrophe
Für das kleine Land, kaum anderthalbmal so groß wie die DDR, ist es die größte anzunehmende Katastrophe. Nepal ist wenig entwickelt, durch den Bürgerkrieg, der ein Jahrzehnt lang tobte, sind Firmen abgewandert, Erschließungsprojekte in den Bergregionen wurden aufgeschoben und funktionierende Stromtrassen in die Berge fielen Sprengstoffanschlägen zum Opfer.
Hoffnung für junge Leute wie Eklo Xora Hari bietet nur noch der Tourismus. Nepal gilt als eines der schönsten Trekkingländer der Welt, exostisch, geheimnisvoll und mit einzigartigen Möglichkeiten auch für ganz normale Wanderer, den Mount Everest aus der Nähe zu sehen. Hari stammt aus den Bergen, er hat am Valley College studiert und begonnen, als Führer für den deutschen Reiseveranstalter Hauser zu arbeiten. Als die Erde bebt, hat Eklo Xora Hari Glück. „Ich bin okay, meine Familie ist okay“, teilt er über Facebook mit.
Sowohl das soziale Netzwerk als auch die Suchmaschine Google haben schnell auf die Katastrophe reagiert. Eben hat die Saison begonnen, 300.000 Touristen sind zwischen Khumbu und Langtang unterwegs. Mit dem „Person finder“ und dem „Safety check“ können Menschen im Katastrophengebiet Nachrichten für ihre Familien online hinterlassen und Angehörige nach ihren Lieben suchen.
Mim Das Tamang hat das getan. Der Reiseführer saß mit einer Gruppe Bergsteiger in der alten Königsstadt Pokhara zusammen, als die Erde bebte. Gerade erst waren sie zurück vom Annapurna-Basislager, zurück in der Sicherheit der Stadt. Dann das. „Ich danke Gott, dass er mich beschützt hat“, schrieb Tamang den Freunden aus aller Welt, die ihn auf ihren Nepal-Reisen kennengelernt hatten.
Auch der Kundri Böhmer-Bauer vom Münchner Reiseveranstalter Hauser kann am dritten Tag nach dem Beben zumindest teilweise Entwarnung geben. Vier Gruppen mit zusammen 37 deutschen Trekkern waren am Wochenende mit Hauser-Führern in der Bebenregion unterwegs. Stundenlang war nach den ersten Meldungen über das Unglück nicht klar, ob sie direkt betroffen sind. „Es ist fast unmöglich, jemanden ans Telefon zu bekommen“, beschreibt Böhmer-Bauer, „es klappt nur, wenn von Nepal aus angerufen werden.“
Bergdörfer werden dem Erdboden gleich gemacht
Mittlerweile sei es gelungen, eine Gruppe ins Flugzeug nach Hause zu setzen, eine andere sei auf dem Abstieg zu Fuß, eine dritte warte im 2.900 Meter hochgelegenen Lukla darauf, zurückzufliegen. Für die vierte Gruppe würden Helikopter organisiert. „Soweit wir bisher wissen, sind alle wohlauf.“
In den Tagen des Schreckens zählt auch für den deutschen Nepali Jürgen Schick nur das. „Unser Haus steht noch“, beschreibt er, „aber wegen der vielen schweren Nachbeben trauen wir uns noch nicht wieder hinein, sondern schlafen nachts draußen im Freien.“ Aber das mache nichts, das Wichtigste sei, „dass wir noch leben“. Das ist viel angesichts dessen, was das Beben „nicht nur hier in Kathmandu, sondern überall in den Bergdörfern angerichtet hat - von denen wurden Hunderte total wegrasiert“, wie Schick beschreibt. Hilfe läuft an, gestern startete etwa ein fünfköpfiges Erkundungsteam der Johanniter nach Nepal, dem auch der Dessauer Rettungsassistent Witold Raport angehört. (mz)
