Nach Entführung Nach Entführung: Befreite weisen Vorwurf des Leichtsinns zurück

Berlin/dpa. - Mehrere ehemalige Sahara-Geiseln haben Vorwürfe zurückgewiesen, sich mit ihrer Reise leichtsinnig selbst in Gefahr begeben zu haben. «Auf keinen Fall», sagte der 46-jährige Rainer Bracht am Mittwochabend in den ARD-«Tagesthemen». Auch der Österreicher Ingo Bleckmann verwahrte sich dagegen, die Touristen seien für ihre Gefangennahme durch Leichtsinn mitverantwortlich. Ihr Reisegebiet, der Süden Algeriens, habe «als sicheres Gebiet» gegolten, sagte Bracht.
Entführungen wie diese habe es dort früher nie gegeben. Auch das Auswärtige Amt habe lediglich vor Sahara- typischen Gefahren wie Verirren oder Verdursten gewarnt. Zuvor waren Forderungen laut geworden, die Ex-Geiseln sollten an den Kosten ihrer Rettung beteiligt werden. «Wintersport ist auch gefährlich», sagte der freigelassene Niederländer Arjen Hilbers am Donnerstag in Den Haag. Er und seine drei deutschen Freunde hätten der Motorrad-Trip in die Wüste jahrelang vorbereitet.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel sagte der «Rheinischen Post»: «Wer sich selbstverantwortlich in Risiken begibt, sollte auch finanziell zur Verantwortung gezogen werden.» Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Ludger Volmer, hält diese Diskussion dagegen für «völlig überflüssig». Nach dem Konsulargesetz sei die Bundesregierung verpflichtet, deutschen Bürgern im Ausland zu helfen.
Nach sechs Monaten Geiselhaft in der Wüste waren neun Deutsche, vier Schweizer und ein Niederländer am Mittwochmorgen wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt. Der Staatssekretär im Bundesaußenministerium, Jürgen Chrobog, wollte sich nicht zu den Bedingungen der Freilassung äußern. Es soll Lösegeld in Millionenhöhe gezahlt worden sein. Auch Libyen soll geholfen haben.
«Wir haben uns vorher bei den Botschaften erkundigt, wir haben Länderinformationen über Internet eingeholt, und wir sind extra über Tunesien in die Mitte Algeriens eingereist, weil dort noch nie etwas passiert ist», sagte Bleckmann dem Hörfunksender MDR Info. Bleckmann gehört zu jenen 17 Entführten, die bereits Mitte Mai befreit worden waren.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verbandes (DRV), H. Jochen Martin, betonte, die Sicherheit der Kunden habe «oberste Priorität». Meist seien die Touristikunternehmen noch vorsichtiger als vom Auswärtigen Amt geboten. «Veranstalter, die aktuell Algerien im Programm haben, sind mir nicht bekannt», sagte Martin der «Berliner Zeitung» (Donnerstag).
Unterdessen schilderte ein anderes Entführungsopfer, der Entwicklungsexperte Wolfgang Heinrich (48), wie es ihm nach der Freilassung erging. Die Krise komme mit Verzögerung. «Die Begeisterung, wieder zu Hause zu sein - das überdeckt erst mal vieles», sagte Heinrich, der beim Evangelischen Entwicklungsdienst EED in Bonn arbeitet und im Frühjahr von Rebellen im Nordosten Indiens entführt worden war. «Es hilft nicht, das Erlebte zu verdrängen, es schlägt zurück.»


