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Kritik an Medien und Politikern Nach der Bundestagswahl: Demoskopen kritisieren Medien und Politiker

Von Melanie Reinsch 25.09.2017, 15:33
"Wir werden sie jagen", sagte Gauland nach der Wahl. Die AfD wolle sich "unser Land und unser Volk zurückholen".
"Wir werden sie jagen", sagte Gauland nach der Wahl. Die AfD wolle sich "unser Land und unser Volk zurückholen". AFP


Absturz Union

Berlin - Die Demoskopen sahen die Union in den Umfragen zwischen 34 und 37 Prozent. Mit 33 Prozent lagen sie geringfügig - aber im Vergleich zu den anderen Parteien - am weitesten daneben. Das sei aber im Rahmen, erklärte Peter Matuschek vom Meinungsinstitut Forsa am Montag. „Gewisse Unsicherheiten gibt es immer.“

Doch warum hat die Union so schlecht abgeschnitten? Man müsse das Ergebnis in Relation sehen, erklärte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. „Im Vergleich zu 2009 hat die Union nur 0,8 Prozent verloren“, sagte er. Einige Unionswähler hätten zum Beispiel ihre Stimme dieses Jahr der FDP gegeben, weil diese die Stimmen nötiger gehabt hätten.

„Hinzu kommt die hohe Mortalität der Union-Wähler“, erklärte Jung.
Auch Nico Siegel von Infratest dimap erklärte, dass die über 41 Prozent der Zweitstimmen bei der Wahl 2013 bei der Union eine „Ausreißerwahl“ gewesen wäre. Hinzu käme, dass die Parteien nach einer Großen Koalition immer Stimmen verlören.

Absturz SPD

„Schulz hat einen Kamikaze-Wahlkampf geführt. Gegen die GroKo, gegen die Kanzlerin“, erklärte Jung. Er habe es nicht geschafft, Merkel zu attackieren und zudem auf die Erfolge der SPD in der großen Koalition hinzuweisen. Der SPD fehlte es zudem „an der Macht des Konkreten“, sagte Siegel. „Das Thema soziale Gerechtigkeit trägt sich strategisch nicht gut“, betonte der Meinungsforscher.

Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach erklärte, dass der Kandidatenwechsel der SPD so kurz vor der Wahl auschlaggebend war: „Das war ein riskantes Manöver.“ So etwas hätte sie noch nie erlebt: Dass eine Partei durch einen Kandidatenwechsel so einen Hype erfahre und die Umfragewerte dann in sich zusammensackten. „Solch` einen Ballast bekommt man nicht so schnell los“, analysierte die Demoskopin.

Aufwind AfD

Zu Beginn des Jahres lagen die Umfragewerte der AfD bei rund acht Prozent. Wie kommt also dieser Aufwind so kurz vor der Wahl zustande? Die Demoskopen haben dafür verschiedene Erklärungen: „Zum einen wurden die Flüchtlingsthematik in Politik und Medien wieder aktualisiert“, sagt Köcher. Dadurch habe die AfD auch zugelegt. Zudem hätte es in dieser Frage keine Opposition im Parlament gegeben, alle Parteien seien sich weitestgehend einig gewesen.

Im Wahlkampf sei das Flüchtlingsthema lange ein Thema unter vielen gewesen, sagte Matuschek. Kurz vor der Wahl sei das Thema aber wieder verstärkt auf die Agenda gerutscht, zugunsten der AfD. Das hätte man auch beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) sehen können, erklärte Jung.

Dort spielte die Flüchtlingspolitik eine übergeordnete Rolle. Zum anderen hätten sich Politik und Medien an der AfD abgearbeitet: „Das hat eine ambivalente Wirkung auf die Wähler gehabt“, sagte Jung. Verstärkt wurde dieser Trend dadurch, dass viele die AfD-Wähler in die Naziecke gestellt hätten.

„Die Sympathisanten fühlten sich dadurch ungerecht behandelt. Nicht jeder dieser Wähler trägt ein geschlossen rechtsradikales Weltbild in sich“, so Jung. Man sei nicht genug auf die Differenzierung eingegangen, kritisierte der Meinungsforscher die Medien und Politiker. Er glaubt, dass eine rechte Partei dauerhaft im Bundestag sitzen werde.

Siegel betonte, dass die AfD ein Sammelbecken verschiedenster Menschen und Protestwähler vereinten. „Das ist keine homogene Gruppe. Man löst das Problem nicht, in dem man immer nur die rechtsradikalsten Typen darstellt“, sagte Jung.

Nichtwähler

„Der AfD ist es gelungen, Teile der Nichtwählerschaft zu mobilisieren und für sich zu gewinnen“, sagte Matuschek von Forsa. Das seien Menschen, die aus der Mitte kämen und sich von den großen Parteien abgewandt hätten.

Den größten Anteil der AfD-Wähler machen die Nichtwähler mit rund 1,2 Millionen aus. Nach Angaben von infratest dimap sind fast eine Million Wähler von CDU und CSU zur AfD abgewandert.