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Nach dem Job-Gipfel Nach dem Job-Gipfel: Zeit arbeitet für Opposition

Von Stefan Sauer 18.03.2005, 21:11
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber spricht am Donnerstag (17. März 2005) im Bundestag in Berlin im Rahmen der Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (dahinter). (Foto: dpa)
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber spricht am Donnerstag (17. März 2005) im Bundestag in Berlin im Rahmen der Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (dahinter). (Foto: dpa) dpa

Berlin/MZ. - Das Wahldebakel in Schleswig-Holstein,die Rekordarbeitslosigkeit und die Visa-Affäreum Außenminister Joschka Fischer haben dieKoalition in Bedrängnis gebracht. Naht dasEnde von Rot-Grün?

Was nützt der beste Aufschlag,wenn der Doppelpartner im nächsten Momenterschöpft zu Boden sinkt? Nichts, das Matchgeht verloren. So ist es dem gemischten DoppelSchröder/Simonis am Donnerstag ergangen, alsder Bundeskanzler zunächst mit einer selbstbewusstenRegierungserklärung im Bundestag überzeugte,deren Wirkkraft anschließend vom "Ohnmachtsanfall"der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentinzunichte gemacht wurde.

Die psychologischen Folgen sind beträchtlich.Jene - ohnehin bange - Hoffnung der rot-grünenKoalition, mit einem starken Kanzlerauftrittund leidlich erfolgreichem Job-Gipfel denStimmungsumschwung zu Stande zu bringen, istdahin. Nicht von ungefähr forderte SPD-ChefFranz Müntefering gestern eine rasche Lösungan der Kieler Förde, um den Schaden zu begrenzen.Wenn NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (SPD)behauptet, dies habe auf die Wahl an Rheinund Ruhr kaum nennenswerten Einfluss, gleichtdies einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert imWalde.

Das wissen Union und FDP natürlich auch. ImGrunde müssen die Oppositionsparteien nichtsAufsehen erregendes mehr veranstalten, umin NRW zu gewinnen. Warten auf die nächsteArbeitslosenzahl für den März, die sichernicht unter fünf Millionen liegen wird, wartenauf die nächsten Sitzungen des Untersuchungsausschusses,die weitere Details über das regierungsamtlicheVersagen in der Visa-Affäre zutage förderndürfte - und Tee trinken. Wenn man die Äußerungender Unionsspitzen Angela Merkel und EdmundStoiber recht versteht, haben die Schwesterparteiengenau dies vor: Die Regierung sei am Zuge,Vorschläge zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerabsenkungenzu konkretisieren.

Die Lage stürzt die Koalition in lähmendeVerzweiflung. Zu besichtigen sind wirkungsarmerAktionismus - siehe Job-Gipfel - sowie interneStreitigkeiten. Man zankt um das Antidiskriminierungsgesetzund Raketenabwehrsysteme, persönliche Antipathienbrechen auf. Wer das rot-grüne Bündnis einerernsten Zerreißprobe aussetzen möchte, nennein der SPD-Fraktion nur einmal den Namen derGrünenvorsitzenden Claudia Roth.

Nun offenbart sich das Manko der Koalition.Es fehlt das präzise formulierte Fernziel,die angstfreie Analyse. Sie lautet: Deutschlandverfügt über ein leistungsfähiges sozialesNetz, das zu großen Teilen über den FaktorArbeit finanziert wird; die Höhe der Arbeitskostenspielt für Investitionsentscheidungen einewesentliche Rolle. Konsequenz: Die Sozialsystememüssen schrittweise vom Faktor Arbeit abgekoppeltund über Steuern finanziert werden. Das Steuersystemist zu entrümpeln, Schlupflöcher sind zu schließen.Dann wären die Lasten gerechter - nämlichauf alle - verteilt, der ArbeitsplatzstandortDeutschland wäre dauerhaft konkurrenzfähig,den Arbeitnehmern verbliebe mehr im Portemonnaie.