Nach Attentat von Würzburg Nach Attentat von Würzburg: Wie die IS-Propaganda im Netz funktioniert

Berlin - Gerade mal 17 Jahre alt war der Täter von Würzburg, der mit einer Axt in einer Regionalbahn fünf Menschen brutal attackierte: Ein Teenager. Ein Einzeltäter. Bei seinem Amoklauf soll er gerufen haben: „Allahu Akbar“ - „Gott ist groß“. In einem Video bezeichnet sich der junge Mann als Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Experten gehen jedoch nicht davon aus, dass er realen Kontakt zum IS gehabt hat.
Doch wie erreichen die Ideologien der islamistischen Terrormiliz trotzdem einen Jugendlichen, der tausende Kilometer weiter in Deutschland in seinem Zimmer sitzt?„Die Jugendlichen bekommen ihre Information und Ideen aus den sozialen Medien“, sagt Ahmad Mansour von Hayat-Deutschland, einer Beratungsstelle für Personen und Angehörige von Personen, die sich salafistisch radikalisieren oder sich dem militanten Dschihadismus angeschlossen haben. Beim IS gebe es Personen, die gezielt Videos produzieren und sie im Netz verbreiten: Über Facebook, Twitter und WhatsApp. Und über Snapchat und Telegram.
Letztere sind Messenger-Dienste, in denen sich Nachrichten nach einiger Zeit automatisch löschen können. Wie verbreitet die IS-Propaganda auch auf Twitter funktioniert, zeigen auch diese Zahlen: 2015 sperrte der Kurznachrichtendienst über 125.000 Konten von IS-Anhängern wegen „terroristischen Inhalten“.
Manche Gruppen haben bis zu 500.000 Mitglieder
Viele Videos seien nur für wenige Stunden online, erklärt Mansour. Doch diese Zeit reicht aus, um sie weiterzuverbreiten. „Die Jugendlichen laden sie auf ihre Handys oder Computer runter und leiten sie weiter.“ Manche Gruppen in den Netzwerken verzeichneten bis zu 500.000 Mitglieder. Die Clips werden entweder direkt vom IS produziert, oder aber seinen Anhängern. Dahinter steckt eine Art Medienpropaganda-Maschinerie: „Die sind sehr professionell und versuchen Jugendliche auf sehr unterschiedliche Weise anzusprechen“, sagt Mansour. Erst im Mai rief Abu Mohammed Al-Adnani, der Sprecher der IS-Terrormiliz, in einer Audiobotschaft zu Anschlägen im Westen auf.
Nicht immer haben die Videos jedoch direkt etwas mit dem IS zu tun, transportieren aber die Ideologien der Terrororganisation. „Es wird versucht, Emotionalität zu schaffen, in dem man zum Beispiel das Leiden in Syrien und Afghanistan zeigt und Opfer-Feind-Bilder geschaffen werden. Das bedeutet nicht, dass die Radikalisierung in diesem Moment erst beginnt“, sagt Mansour. Die Ideologien hätten viele durch ihr soziales Umfeld oder durch ihre Erziehung ohnehin schon im Hinterkopf.
Ehemaliger Berliner Rapper Denis Cuspert erreicht Millionen
Auch durch Musik werden die Inhalte transportiert. „Willkommen in meiner Welt voll Hass und Blut. Ich schreibe Zeilen für meine Kinder und das mit Blut“, singt beispielsweise der ehemalige Berliner Rapper Denis Cuspert alias Deso Dogg in einem Song. Er ist der bekannteste deutsche IS-Propagandist. Mehr als zwei Millionen Aufrufe hat das Video bei YouTube. Unter dem Namen Abu Talha al-Almani schloss er sich 2013 dem IS an und ging ins Ausland. Mehrmals ist der IS-Terrorist für tot erklärt worden. Der Berliner Verfassungsschutz glaubt, dass er noch am Leben ist.
„Das ist das Gefährliche am IS. Er braucht keine Strukturen und keine Organisation mehr. Der IS baut einfach auf die schon vorhandenen Ideologien auf, ohne direkt mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten“, macht Mansour deutlich. Er erkennt darin auch eine Taktikänderung: „Der IS habe gemerkt, dass die Europäer in Syrien eigentlich keine großen Helfer sind, weil sie keine Kampferfahrung mitbringen. Daher motiviert er die Jugendlichen nun lieber über soziale Medien zu Einzeltaten in Europa.“
Auch ein Nachrichtenkanal propagiert für den IS
Doch neben den üblichen sozialen Netzwerken es gibt auch andere Kanäle, auf denen die IS-Terror-Ideologien verbreitet werden. Auf dem Nachrichtenkanal Amaq, das als IS-Sprachrohr gilt, werden 24 Stunden am Tag Nachrichten über den Krieg in Syrien und im Irak verbreitet – aus Sicht der Dschihadisten. Wer hinter dem Kanal steckt, ist unklar.
Regelmäßig erscheint auch das englischsprachige Onlinemagazin „Dabiq“, das vom Islamischen Staat zur Rekrutierung neuer IS-Anhänger genutzt wird: Aufwendig produziert mit vielen Fotos, Berichten und Reportagen kann man sich das PDF ohne Probleme herunterladen. Bis zu 70 Seiten lang ist das monatlich publizierte Hochglanzmagazin. Durch Wortwahl und Aufmachung soll es sich auch ganz gezielt an den Westen richten.