Merz, AKK und Spahn Merz, AKK und Spahn: So schlagen sich die Kandidaten im Rennen um den CDU-Vorsitz

Berlin - Noch bis zum 7. Dezember ist Angela Merkel Parteichefin der CDU. Am ersten Tag des Bundesparteitags in Hamburg wird dann der oder die neue Vorsitzende gewählt. Drei Spitzenpolitiker kandidieren bisher für diesen Posten –nominiert durch Kreisverbände: CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn. Sie stellen sich auf Regionalkonferenzen der Parteibasis vor. Vier der acht Konferenzen sind gelaufen. Danach können noch Kandidaten dazu kommen: Auf dem Parteitag reicht der Vorschlag durch einen Delegierten. Wie sich die Kandidaten geschlagen haben:
Annegret Kramp-Karrenbauer setzt auf Nähe und Wir-Gefühl
Es gibt jetzt diese Fotos von ihr: Annegret Kramp-Karrenbauer hält ein Stück Karton mit der Nummer 1 darauf. Drei von vier Mal hat die CDU-Generalsekretärin die gezogen auf den Regionalkonferenzen bei der Verlosung der Redner-Reihenfolge. Damit ist der Parteivorsitz nicht gewonnen, aber es kann sein, dass manche Bilder sich eingraben ins Gedächtnis. Auch Waschmittel werden so verkauft.
Zusammenhalten, das ist das Thema von Kramp-Karrenbauer. Dass der Tag nach dem Parteitag entscheidend sei für die Geschlossenheit der CDU, sagt sie, bietet sich damit als Versöhnerin an und exerziert das auch gleich vor: Als Friedrich Merz eine Debatte um den Fortbestand des Asylrechts anzettelt, distanziert sie sich mit Helmut Kohl als größtmöglichem Kronzeugen und nimmt Merz gleichzeitig in Schutz. Dem bleibt es, sich erleichtert zu bedanken.
Kramp-Karrenbauer setzt auf Nähe und Wir-Gefühl. „Schön, so viele wiederzusehen“, so beginnen ihre Reden meist. Nachdem sie im Februar ihr Amt als Generalsekretärin übernommen hat, ist sie auf einer „Zuhörtour“ durch Kreisverbände getingelt, um Ideen für das neue Grundsatzprogramm zu sammeln und vorsorglich auch, um sich bekannt zu machen. Darauf verweist sie oft. Auch die vertrauliche Anrede ist Teil dieser Strategie: Kramp-Karrenbauer duzt die Zuhörer, sie spricht von „einer Debatte, die ihr angestoßen habt“ oder sagt: „Gemeinsam mit euch will ich mich der Aufgabe stellen.“ Selten vergisst sie den Hinweis, die 400.000 Mitglieder seien „der Schatz der Partei“.
Kramp-Karrenbauers Nicht-Merkel-Sein
Ihre Erfahrung hebt Kramp-Karrenbauer hervor, als Parteifrau, als Wahlkämpferin, in der Regierungsarbeit. 18 Jahre als saarländische Ministerpräsidentin, Bildungs- und Innenministerin, die Zuhörtour, mehrfach Wahlen im Saarland gewonnen. Wenn die Konkurrenten etwas in Aussicht stellen, sagt Kramp-Karrenbauer: Habe ich schon gemacht. Islamunterricht an deutschen Schulen statt in Koranschulen zum Beispiel oder die CDU wieder auf 40 Prozent zu bekommen „Das geht.“ Bei den ostdeutschen Regionalkonferenz platzierte sie den Hinweis, auch ihre Heimat Saarland habe mit Strukturwandel zu kämpfen gehabt und mit dem Gefühl, vom Rest der Republik schief angesehen zu werden.
Aber ist sie nicht eine Kopie von Merkel? Sie habe ihre eigene Karriere gemacht, sagt die 56-jährige. Weil Nicht-Merkel-Sein in der CDU gerade mit dem Symbolthema Flüchtlingspolitik verbunden wird, grenzt sie sich da ab: Mit der Forderung nach Abschiebungen nach Syrien und lebenslangen Einreisesperren für straffällige Asylbewerber. Anders als Merz und Spahn hat sie sich hingegen klar für den Migrationspakt positioniert.
Ihren Großstadtlook mit Leuchtfarben hat Kramp-Karrenbauer abgelegt, ihr Parteivorsitz-Kandidaten-Stil ist deutlich biederer. Größter Nachteil von AKK: der Vortrag gleitet zuweilen ins Monotone ab.
In den Umfragen führt Kramp-Karrenbauer vor ihren beiden Konkurrenten, das kann Unentschlossene auf ihre Seite ziehen. Die Unterstützer in der Partei sind allerdings deutlich weniger vernehmbar als die von Friedrich Merz. Für Kramp-Karrenbauer ausgesprochen hat sich lediglich ihr saarländischer CDU-Landesverband, der allerdings winzig ist, und die Frauenunion- nur ein Viertel der CDU-Mitglieder Frauen. Der Sozialflügel dürfte sich für AKK aussprechen.
Die hat ihre Konkurrenz bereits einsortiert. Merz soll eine Steuerreform erarbeiten, Spahn als Minister weitermachen. Mit der Masche der freundlichen Dominanz war es am Wochenende vorbei: Merz‘ Aussage zum Umgang der Partei mit der AfD bezeichnete Kramp-Karrenbauer als „Schlag ins Gesicht der CDU“. Er gegen uns - da war es wieder, das Wir-Gefühl.
Friedrich Merz will als AfD-Schreck punkten
Seinen ersten Fehler hat Friedrich Merz nicht wiederholt. Auf der ersten Regionalkonferenz in Lübeck verkündete er, er merke angesichts der vollbesetzten Halle, „was mir in den letzten Jahren ein bisschen gefehlt hat“. Die Zuschauer, die den Politik-Rückkehrer bei der Vorstellung zuvor noch mit dem meisten Applaus bedacht hatten, reagierten mit einem spöttischen kollektiven „Oooh.“
Weiterhin ist Merz neben Kramp-Karrenbauer einer der beiden Favoriten des Rennens. Seine Fans sind lauter. Sie haben seine Abwesenheit betrauert, und begrüßen ihn nun wie einen Heilsbringer: Der Wirtschaftsflügel hat sich zu ihm bekannt und dafür schnell seinen bisherigen Liebling Jens Spahn vergessen. Die Schülerunion hat sich entschieden und die Junge Union Baden-Württemberg. Viele Altvordere sind für den Altvorderen – wie der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch und EU-Kommissar Günther Oettinger. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die graue Eminenz der Partei, hat Merz‘ Kandidatur mit befeuert.
Schneidig, konservativ, Wirtschaftsexperte
Merz, der zwei Jahre lang Fraktionschef war, bevor Angela Merkel ihn ablöste, hat einen Ruf aus der Vergangenheit: Schneidig, konservativ, Wirtschaftsexperte. Seinen Anhängern reicht das, sie sehen in ihm die Korrektur der Merkel-CDU. Aber diese Anhänger reichen Merz offenbar nicht: Er versucht, sich mittiger zu präsentieren. Er lobt Merkel und legt sogar sein Markenzeichen, die Bierdeckel-Steuererklärung, zu den Akten. Nicht mehr zeitgemäß, sagt Merz.
Zum Weicherzeichnen gehört das Persönliche: Er erzählt also in Rheinland-Pfalz, dass er im nahen Kusel als Bundeswehrsoldat einen Lehrgang gemacht und ihm die Wehrpflicht im Übrigen nicht geschadet habe. Er lässt einfließen, dass er sich um seine betagten Eltern kümmere und dass er an seinen drei erwachsenen Kinder sehe, dass junge Leute anders leben wollten als er früher.
Freundlich und zugewandt tritt er auf, den scharfen Ton von einst dreht er hoch, wenn er sich gegen die AfD abgrenzt. Wenn braune und schwarze Horden durch Städte zögen und der Hitlergruß gezeigt werde, müsse das der CDU „durch Mark und Bein gehen“, sagt er. Stolz verkündet er, die AfD fertige schon Dossiers gegen ihn an: „Bravo, das habe ich gewollt.“
Als AfD-Schreck will er also punkten. Wenn Merz verkündet, er werde die AfD halbieren, applaudieren die Zuhörer begeistert.
Beim AfD-Topthema Migration positioniert er sich je nach Region: In Schleswig-Holstein lobt er die Aufnahme von Flüchtlingen 2015, in Thüringen erklärt er, er wolle „nicht lange zurückblicken im Zorn“, aber ein Störgefühl wegen Kontrollverlusts teile er. Merz zögert beim UN-Migrationspakt. Die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl fordert er, um dies am nächsten Tag wieder zu revidieren. Zugleich hart und weich sein - ein Fehler oder eine besonders raffinierte Taktik der Frankfurter Unternehmensberatung, die Merz an seiner Seite hat?
Die Frage nach seinem Einkommen beantwortet Merz so zögerlich, dass er unvorbereitet wirkt. Er zählt sich mit einer Million Euro dann zur Mittelschicht. Die Debatte verdrängt immerhin die über seinen Arbeitgeber, den Vermögensverwalter Blackrock. Bei einem Talkshow-Auftritt kontert ihn die Grünen-Chefin in der Flüchtlingspolitik aus und eine SPD-Vize-Vorsitzende beim Thema Familie.
Ein bisschen was von Kramp-Karrenbauer
Wird er mit Merkel zusammenarbeiten können, der er lange in so leidenschaftlicher Abneigung gegenüberstand? Klar, versichert Merz, setzt aber Ärgerpunkte für die SPD in der Sozialpolitik. Er bremst auch die Erwartungen: Es werde schwierig, Soliabschaffung, Steuersenkung und mehr Geld für die Bundeswehr gleichzeitig zu finanzieren: „Lassen wir mal die Tassen im Schrank.“
In Halle hat Merz noch etwas preisgegeben: „Meine Frau ist Saarländerin“, hat er gesagt. Ein bisschen was von Kramp-Karrenbauer hat Merz also auch.
Jens Spahn versucht es mit Schlagzeilen
Jens Spahn hat sich umentschieden. Am Anfang nur hat er sich hinters Rednerpult gestellt für seine Vorstellungs-Zehn-Minuten. Ab der zweiten Regionalkonferenz steht er mit dem Mikro vorne am Bühnenrand. Der Gesundheitsminister tourt im Entertainer-Modus. Spahn setzt sich ab, er muss sich absetzen. Die beiden anderen sind ja die Favoriten des Wettbewerbs, Merz hat ihn deutlich aus dem Feld geschlagen.
Über Jahre hat Spahn beim Wirtschaftsflügel und der Jungen Union Klinken geputzt. Die einen haben sich Merz zugewandt, die anderen rufen zumindest nicht laut nach Spahn. Der war ihr lange ihr Favorit, nun gilt der 38-Jährige plötzlich doch wieder als zu jung, zu unerfahren, zu ungeduldig – obwohl er sogar schon ein Jahr länger im Bundestag sitzt als Merz. Nur aus Thüringen gibt es öffentlichen Rückhalt: Dort bezeichnet die Junge Union Merz als aus der Zeit gefallen, und Landeschef Mohring spricht zurückhaltend von einem Mythos Merz. Auf allen Konferenzen bekommt Spahn den wenigsten Applaus.
Also: Flucht nach vorne.
Die anderen führen in den Umfragen, Spahn versucht es mit den Schlagzeilen: Die Debatte um den UN-Migrationspakt hat er in der Union gerade wieder hochgezogen und damit ziemlich viele verärgert. Merz hat ihn da wieder überholt mit seinen Asylrechts-Äußerungen. Und am Wochenende war es dann gerade Merz gegen Kramp-Karrenbauer. Spahn saß in einer Talkrunde über Sozialpolitik.
Aufgeben scheint er nicht zu wollen. Spahn habe schon zu lange gezögert, als es um den Unions-Fraktionsvorsitz ging, heißt es in der CDU. Nun müsse er wohl mal beweisen, dass er nicht nur von Schlachten rede, sondern die auch schlage. Merz ist dabei Spahns erster Gegner. In Lübeck greift er dessen Kritik an der CSU und deren Verhalten im Flüchtlingsstreit auf: „Ich hätte mir gewünscht, wir hätten Sie damals an Bord gehabt und Sie hätten das damals gesagt.“ Auf eine Zuschauerfrage nach der Aussetzung der Wehrpflicht sagt er in Idar-Oberstein: „Da kam ein Heilsbringer, dann ging es plötzlich schnell. Im Nachhinhein tut uns das leid.“ Da ist man schnell vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei Merz.
Vertrauen zurückgewinnen und diskutieren
Ein Regionalschmankerl hat Spahn immer auf Lager: Erinnerung an Labskaus-Essen in Schleswig-Holstein, Gratulation für den frisch gewählten JU-Chef in Rheinland-Pfalz. In Ostdeutschland befindet er, es gebe hier eine andere Sensibilität für Meinungsfreiheit: „Manche Besserwessis sollten sich zurückhalten mit Kommentaren“.
Vertrauen zurückgewinnen und mehr diskutieren, sind Spahns Haupt-Botschaften. Zu wenig Wohnungen, die ewige Berliner Flughafenbaustelle, der Diesel-Konflikt und dann gebe es noch die Frage, ob man die Tochter im Dunkeln radfahren lassen könne Bei der Migrationspolitik findet er, dass die anderen jetzt das sagen, was er schon lange gefordert habe.
Er sagt im Übrigen, er wolle die „Miesepeter von Rechts und Links“ bekämpfen. „Mit guter Laune Zukunft gestalten, das war doch immer ein Markenkern der CDU.“ Gute Laune als Markenkern hat zumindest noch kein anderer verkündet.
„Wir überraschen und gerade selbst“, sagt Spahn gerne.
In Idar-Oberstein erzählt er, er habe „auf dem Hinweg bei Helmut Kohl reingeschaut“. Der ist verstorben, aber macht ja nichts. Kohl, erinnert der 38-jährige Spahn, sei mit 39 Jahren Ministerpräsident gewesen. Und bei dem hätten viele gesagt, er sei „zu jung, zu unerfahren, soll sich hinten anstellen“. Kohl habe dann die Partei erneuert. Aber, sagt Spahn, er vergleiche sich natürlich nicht mit Kohl. Käme ihm gar nicht in den Sinn.