#Merkelstreichelt #Merkelstreichelt: Merkel bringt Flüchtlingsmädchen zum Weinen
Berlin - Im Netz ist die Aufregung mal wieder groß. Der Hashtag bei Twitter namens #Merkelstreichelt ist auch längst da. Eine gewisse „Eleanor Abernathy“ schreibt, die Kanzlerin habe so viel „Empathie wie eine Scheibe Toastbrot“. Ein anderer erwidert: „Gut, dass sie das Kind nicht anlügt. Sie macht Gesetze nicht alleine.“ Angela Merkel, so viel ist gewiss, wird in Rostock mit dem Leben draußen im Lande konfrontiert. Und das Leben, so könnte man sagen, folgt manchmal anderen Gesetzen als jenen, die in Berlin beschlossen werden. Oder es folgt, was schlimmer sein kann, genau diesen.
In der Stadt an der Ostsee findet am Mittwoch ein Bürgerdialog statt. Die Überschrift lautet: „Gut leben in Deutschland“. Früher hieß das mal: „Bürger fragen, Politiker antworten.“ Im Publikum sitzen Schüler zwischen 14 und 17 Jahren, darunter auch Reem, ein palästinensisches Mädchen, das aus dem Libanon geflüchtet ist und sich irgendwann zu Wort meldet. Merkel, das muss man sagen, macht dabei keine besonders gute Figur. Denn Reem lebt nicht gut – vor allem deshalb, weil es bald unter Umständen nicht mehr in Deutschland lebt.
„Das ist manchmal auch hart – Politik“
Zunächst spricht also das aufgeweckte Mädchen, das seit vier Jahren in Rostock ist. Es sagt in akzentfreiem Deutsch, dass der Vater als Schweißer nicht habe arbeiten dürfen, weil die Familie anfangs keine Aufenthaltsgenehmigung gehabt habe. Nun habe die Familie zwar eine Aufenthaltsgenehmigung, indes nur eine vorläufige. Und deshalb müsse sie weiter mit Abschiebung rechnen. Dass sie studieren möchte, sagt Reem auch noch und es „wirklich sehr unangenehm“ sei, „zuzusehen, wie andere das Leben genießen können und man selber halt nicht". Genießen, so ist das zu verstehen, kann man bloß, wenn man Sicherheit hat und eine Perspektive. Beides fehlt Reem.
Danach spricht die Kanzlerin – über die Not der Bundesregierung, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. „Das ist manchmal auch hart – Politik“. Und dass Reem „ein unheimlich sympathischer Mensch“ sei, der Libanon jedoch nicht als Bürgerkriegsland gelte und es Menschen an anderen Orten noch viel schlechter gehe. Sie sagt: „Jetzt wollen wir ein beschleunigtes Verfahren machen, davon könntest du vielleicht profitieren.“ Im Übrigen wisse sie doch auch, fährt die Kanzlerin fort, dass in den palästinensischen Lagern im Libanon noch Abertausende Flüchtlinge säßen. Deutschland könne nicht allen Flüchtlingen im Nahen Osten und Afrika zurufen: „Ihr könnt alle kommen.“ So sei es halt.
„Aber trotzdem möchte ich sie einmal streicheln“
Das ist die Wahrheit. Und Merkel ist Merkel, also so nüchtern, wie das Land sie zu schätzen gelernt hat. Nur ist diese Nüchternheit an der Stelle fatal. Denn Reem möchte natürlich nicht hören, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann. Sie möchte etwas hören, das ihr Hoffnung macht. Weil das Mädchen gerade das nicht hört, sondern das Gegenteil, fängt es an zu weinen. Da merkt Merkel, was sie ausgelöst hat, geht auf das Mädchen zu und streichelt ihm über die Wange. Die Kamera ist ganz dicht dran. „Du hast das doch prima gemacht", sagt die Kanzlerin; das ist als Trost gemeint. Und an den Moderator gewandt: „Ich weiß, dass das eine belastende Situation ist - aber trotzdem möchte ich sie einmal streicheln." Daher der Hashtag #Merkelstreichelt.
Aus Merkels Umfeld verlautet an die Adresse der Kritiker, sie sei offensichtlich berührt gewesen und habe „sehr menschlich reagiert“. Doch eine Kanzlerin und gerade eine Kanzlerin könne nun mal nicht einfach so spontan Aufenthaltstitel verleihen, selbst wenn die Versuchung in Momenten wie diesen vielleicht groß sei. Das gehe in einer Demokratie nicht. Die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt ist trotzdem wie viele unzufrieden mit dem Auftritt der Regierungschefin. Sie twitterte, dass man die Fehler der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik „nicht wegstreicheln“ könne.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Netz darauf reagiert und welche Konsequenzen Angela Merkels Presseteam zieht.
Die Aufzeichnung des kompletten Bürgerdialogs in Rostock finden Sie in der Mediathek der Bundesregierung.
Weitere Reaktionen aus dem Netz
Die meisten Twitter empören sich über Merkels angeblich fehlende Empathie.
Vereinzelt wird aber auch Verständnis für die Bundeskanzlerin geäußert.
Bundesregierung schreibt Bericht um
Die Bundesregierung hat einen Bericht über die Begegnung Merkels mit dem Flüchtlingskind geändert. Zunächst hieß es in dem Artikel der Presseabteilung, das Mädchen habe „vor lauter Aufregung“ geweint. Nachdem der Ausschnitt hohe Wellen im Internet geschlagen hatte, löschte das Presseteam die entsprechende Passage in „Das Mädchen musste weinen und wischte ihre Tränen mit einem Taschentuch weg“ um. (mit red)