Merkel in der ARD-"Wahlarena" Merkel in der ARD-"Wahlarena": Zuschauer löchern Kanzlerin mit Fragen

Berlin/DPA. - Genau davor hatte sich die Union von Angela Merkel gefürchtet: Monatelang läuft alles wie am Schnürchen - hervorragende Umfragewerte, kein großer Koalitionsstreit, keine Personalquerelen. Und dann das. Wenige Tage vor der Bundestagswahl bricht ein Problem über die Kanzlerin herein, das sie nicht in der Hand hat und mit dem sie kaum punkten kann. Ein Thema, bei dem laut Umfragen fast drei Viertel der Deutschen die Auffassung der Linken teilen: der Bürgerkrieg in Syrien und der mögliche Militärschlag der USA gegen das Assad-Regime wegen eines vermuteten Giftgaseinsatzes im Land. Die große Mehrheit der Bürger lehnt ein militärisches Eingreifen ab.
Die Union hatte intern früh Bedenken angemeldet, dass der Wahlkampf zu gut laufe. Die eigenen Anhänger seien überzeugt, dass Merkel Kanzlerin bleibe. Dabei hänge ihre dritte Kanzlerschaft am seidenen Faden. Denn sollte es nicht für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb reichen, sei alles offen. Deshalb kann die CDU, allen voran ihre Parteivorsitzende Merkel, die allgemeine Klage über einen langweiligen Wahlkampf auch nicht nachvollziehen.
Drei Rechnungen mit Unbekannten
In der ARD-„Wahlarena“ antwortete Merkel am Montagabend so auch auf die Frage, als wie spannend sie den Wahlkampf auf einer Skala von Eins bis Zehn bewerten würden: „Nah an 10“. Auffallend bemühte sich die sonst stets nüchtern argumentierende Physikerin um Herzblut. Für ihre Kritiker in Südeuropa habe sie ein „weiches Herz“. Besser Protest als Schweigen, erklärt sie den 150 Fragen stellenden Wählern in der Live-Sendung. Denn sonst könne die Politik die Menschen nicht mehr erreichen. Und sie betont, sie sei eine „Herzenseuropäerin“, die enthusiastisch für Europa kämpfe. „Manchmal ist Politik auch, die Herzen der Menschen zu erreichen.“
Die Euro-Rettung gehört zu den drei Rechnungen mit Unbekannten, die die Christdemokraten seit langem auf dem Zettel für den Schlussspurt im Wahlkampf haben. Ihre Sorge: Die Euro-Krise bricht neu auf - hier halten Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit ihrer Offensive für ein drittes Griechenland die Debatte in Grenzen. Zu ihren viel größeren Sorgen über die schlechte Finanzlage in Italien und die Gefahren für Reformen in Frankreich schweigen sie hingegen weitgehend.
Kampf um jede Stimme
Zweitens: die Schwäche der FDP. Fliegt sie an diesem Sonntag aus Landtag und Regierung in Bayern könnten CDU-Anhänger den Koalitionspartner im Bund und in Hessen, wo parallel zum Bundestag am 22. September ein neuer Landtag gewählt wird, retten wollen. Die CDU-Spitze kämpft aber um jede Stimme, um sich als deutlich stärkste Kraft den Partner aussuchen zu können.
Drittens: der Krieg in Syrien. Eine solche Situation kann Merkel so gut wie nicht für sich gewinnen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück könnte es wohl nicht. Mit einem Nein zu einer Militäraktion, hat man die meisten Deutschen hinter und westliche internationale Partner gegen sich. Bei einem Ja ist es umgekehrt.
Deutschland hat gemeinsam mit den anderen Staaten der Europäischen Union eine Erklärung unterschrieben, in der von einer „starken internationalen Antwort auf diesen schweren Verstoß gegen weltweit gültige Normen“ in Syrien die Rede ist. Darunter kann auch ein Militärschlag verstanden werden. Das wird zumindest die Linke in der heißen Wahlkampfphase noch auszuschlachten wissen, auch wenn in der Erklärung ausdrücklich das Streben nach einer friedlichen Lösung und eine deutsche Beteiligung gar nicht zur Debatte steht.
Merkels Image angekratzt
Merkel versichert in der „Wahlarena“ abermals, dass Deutschland sich aus einer Militäraktion raushalten würde. Moskaus Vorstoß, Syrien solle seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen, bewertet sie positiv. Nur will sie die Taten abwarten.
Merkels Image als mächtigste Frau der Welt und einflussreichste Europäerin hat aber einen Kratzer bekommen. Denn Frankreich, Großbritannien und Italien preschten am vergangenen Freitag beim Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in St. Petersburg mit ihrer Unterstützung für US-Präsident Barack Obama ohne Deutschland vor. Das passt nicht zu dem Bild vieler Deutscher, dass in der EU ohne Merkel fast nichts läuft.
In der ARD-Sendung interessierten sich die Fragesteller aber weniger für Syrien. Einer wollte lieber wissen, wie lange es her ist, dass die Kanzlerin selbst Auto fuhr: „Ich bin schon lange nicht mehr alleine mit dem Auto gefahren“, bekennt Merkel und zeigt Respekt vor dem heutigen Verkehr auf den Straßen: „Jetzt traue ich es mich nur noch auf Waldwegen.“