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Maut Maut: Milliarden-Poker: Industrie hat bessere Karten

Von Christoph Sator 10.09.2004, 16:13

Berlin/dpa. - Es ist ein Pokerspiel wie noch nie. Nicht nur wegender Streitsumme von 4,5 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen, sondernauch wegen der Kontrahenten: die Bundesregierung gegen Telekom undDaimlerChrysler, zwei deutsche Weltkonzerne. Keiner weiß so kurz nachder Eröffnung, wie lange die Partie dauern und wie sie ausgehen wird.Aber klar ist: Im Streit um die juristische Aufarbeitung des Maut-Debakels hat die Industrie zunächst einmal die besseren Karten.

Dementsprechend selbstsicher weist das Maut-Konsortium TollCollect, an dem DaimlerChrysler und Telekom mit jeweils 45 Prozentbeteiligt sind, alle Forderungen kategorisch zurück. «Nichtgerechtfertigt, unbegründet und auch nicht nachvollziehbar.»Schuldbewusstsein klingt anders. Zudem ist die Telekom in derkomfortablen Lage, dass der Bund zugleich ihr Mehrheitsaktionär istund Rücksicht auf den Aktienkurs nehmen muss.

Die Zuversicht der Konsortialpartner gründet sich auf einenPassus, der im September 2002 erst kurz vor Abschluss der Maut-Verhandlungen in den 17 000-Seiten-Vertrag aufgenommen wurde. Darinheißt es: «Neben der Vertragsstrafe gemäß Punkt 2 sind weitereVertragsstrafen oder eine verschuldensabhängige Haftung desAuftragnehmers beziehungsweise der Projektgesellschaftausgeschlossen.»

Die Opposition wirft dem Verkehrsministerium deshalb vor, denMautvertrag miserabel ausgehandelt zu haben. «Auf dem normalenRechtsweg hätte das Ministerium keinerlei Chance», sagt CDU/CCSU-Fraktionsvize Klaus Lippold. Nicht einmal in den Reihen der Koalitionist die Zuversicht besonders groß. Der SPD-Verkehrsexperte PeterDanckert bezeichnete die Hoffnung, an 4,5 Milliarden Euro zu kommen,als «völlig illusorisch». Der Grünen-Kollege Albert Schmidt meintebenfalls: «Rein vom Vertrag her ist wenig zu machen.»

Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) selbst hält sich mit einerBeurteilung der Erfolgsaussichten bislang zurück. «Wir haben für dieVerhandlungen eine gestaffelte Strategie. Sie werden nicht erwarten,dass wir die Strategie offen legen», sagte sein Sprecher nur. Klarist aber, dass der Bund vor dem Schiedsgericht auf einen Vergleichzielt - eine Summe X zwischen 0 und 4,5 Milliarden.

Entscheidend dürfte sein, ob Stolpe dem Konsortium nachweisenkann, dass der erste Termin für den Maut-Start am 31. August 2003 vonvornherein unmöglich einzuhalten war. Das wäre dann vorsätzlicheTäuschung gewesen, und nur dann besteht laut Mautvertrag Anspruch aufSchadenersatz. «Dann kommen die Regelungen des BürgerlichenGesetzbuchs zum Tragen, und das kann für das Konsortium richtig teuerwerden», meint der Grünen-Politiker Schmidt.

Allerdings wird es noch Monate dauern, bis die drei Mitglieder desSchiedsgerichts zu dieser Frage kommen. Derzeit steht nur derMünchner Unternehmensrechtler Horst Eidenmüller als Schiedsrichterfest. Die anderen beiden müssen noch benannt werden. Acht Wochen Zeitgibt es dafür. Also wird es vermutlich November, bis dasSchiedsverfahren beginnt. Mit einer Entscheidung ist allerfrühestensin einem Jahr zu rechnen.

Dabei wird es dann nicht allein um Rechtsfragen gehen. Einewichtige Rolle wird spielen, ob der Maut-Start am 1. Januar 2005 imdritten Anlauf endlich gelingt. Falls das Toll-Collect-System dieersten Monate besteht und die Maut-Einnahmen fließen, dürfte auchbeim Bund die Neigung schwinden, vom Konsortium möglichst hohenSchadenersatz zu erzwingen. Falls sich das Debakel jedochwiederholt, besteht zur Rücksichtnahme nicht mehr viel Grund.