Kommentar zu Schulz Martin Schulz nach CDU-Attacken: SPD sollte den Wählern nicht das Recht auf Wissen absprechen

Berlin - Konkurrenz belebt das Geschäft. Sie tut unserer großkoalitionär- verklebten Politik gut. Allein das Auftauchen eines munteren sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten bewirkte Wunder. Martin Schulz mobilisiert Nichtwähler und junge Leute. Zur AfD Abgedriftete finden ihn interessant. Und dass die in Trübsal abgeglittene Union angesichts einer Alternative zur vermeintlichen Alternativlos-Kanzlerin nervös wird, tut der Demokratie gut.
Umso irritierender wirkt jetzt die SPD: Was regt man sich dort auf, weil ein paar Informationen über ihren neuen Kuschelbär unter die Leute kommen – Dinge über Martin Schulz, die angeblich keinen was angehen. Unerhört! Schützt die Majestät vor Beleidigung! Zwar sind die Informationen nicht ganz frisch, EU-Unionsparlamentarier hatten sie schon vor längerer Zeit zusammengetragen. Aber jetzt sind sie eben für eine größere Öffentlichkeit von Interesse.
Operation geglückt, Patient siech
Es geht um Flüge in Privatjets und die Fürsorge, die Schulz eher politisch Getreuen als dem Geld des Steuerzahlers angedeihen ließ. Man erinnert sich zudem daran, dass er einen Untersuchungsausschuss gegen seinen Freund Jean-Claude Juncker verhinderte. Nach Cliquenwirtschaft müffelt auch der Fall seines in Berlin stationierten Vertrauten Markus Engels: Der rechnete 273 von 365 möglichen Tagessätzen im Jahr 2016 als Reisetage zu entsprechenden Sätzen ab, obwohl er seltener reiste. Sein finanzieller Vorteil: 16 000 Euro. Was tat Schulz gegen diesen Schmu? Der designierte SPD-Vorsitzende reklamiert für sich Volksverbundenheit und reiche Erfahrungen als Bürgermeister von Würselen. Nun erfährt man, er habe der Stadt gegen den Bürgerwillen ein teures Spaßbad aufgedrückt, das die Kommune finanziell schwer belastet. Ein Schulz-Denkmal? Erkennen wir hier ein Faible für Angeberprojekte? Schulz behauptet, das Europaparlament zu neuer Bedeutung geführt zu haben. Mag sein, aber mit der EU ging es zu seinen großen Zeiten bergab. Überall klagen Bürger über die Entfremdung von „denen in Brüssel“. Mit anderen Worten: Operation geglückt, Patient siech.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley findet die Vorwürfe belanglos und die von Schulz geübten und gedeckten Praktiken nicht anrüchig. So seien eben die Regeln in Brüssel. Diese sind von Übel, und EU-Spitzenfunktionär Schulz hatte keine Skrupel, sie für sich nutzen, an statt sie als unanständig zu verwerfen.
Großes Interesse an gründlicher Information
In instabilen Zeiten werden Charakter und Persönlichkeit eines Kandidaten für ein hohes Amt immer wichtiger. Das Land muss sich darauf verlassen können, dass die Menschen in hoher Verantwortung zuverlässig aufs Gemeinwohl gerichtet handeln, nicht nach dem eigenen Vorteile trachten. Deshalb habe ich als Wählerin großes Interesse an gründlicher Information – auch über Persönliches. Aber die SPD geht darauf nicht ein und spricht den Wählern das Recht auf Wissen ab. Die Genossen wünschen, dass ich mich mit den selbstverliebten Schulz’schen Lebenslegenden zufriedengebe, mich an ihnen berausche, an einen angeblich makellosen Mann glaube – zumindest an einen, der durch Überwindung jugendlicher Schwächen zum Großen reifte.
Statt die Union einer Schmutzkampagne zu bezichtigen, könnte die SPD alle Informationen höchstsachlich selber liefern und das Gespräch darüber eröffnen. Noch besser, der Kandidat nähme das in die eigene Hand. Bisher fehlten ihm noch selten die Worte, nun sollte er leicht welche finden, um sein Verhältnis zu den Grauzonen und Versuchungen der Macht zu erläutern.
Merkel in dieser Hinsicht tadellos
Die Frage ist für ihn und seine Partei umso wichtiger als das Land mit der Bundeskanzlerin seit zwölf Jahren in einem Punkt herausragende Erfahrungen gemacht hat: Angela Merkel hat in all der Zeit wahrscheinlich keine einzige dienstliche Büroklammer für ihren persönlichen Vorteil umgeleitet. Daran wird Martin Schulz gemessen, nicht am Präsidentschaftskandidaten der französischen Konservativen François Fillon, der seiner Gattin fürs Nichtstun Unsummen aus Steuerzahlerhand zukommen ließ; oder an Marine Le Pen, die Mitarbeiter mit Geld des Europaparlaments bezahlte, obwohl die gar nicht dort arbeiteten; oder am rumänischen Premierminister, der zum eigenen Schutz die Korruptionsgesetze abmildern wollte.
Soweit möge es niemals kommen. Die SPD und ihr Kandidat sollten alles tun, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, es gebe da eine Kumpelwirtschaft. Also bitte: Lasst Licht in dunkle Ecken. Dann sieht jeder, wenn dort kein Schmutz liegt.