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Merkel-Herausforderer Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef nominiert

Von Tobias Peter 29.01.2017, 10:47
Martin Schulz
Martin Schulz dpa

Berlin - Es sind Sätze, nach denen sich die SPD-Mitglieder gesehnt haben. „Unsere Partei, die SPD, tritt mit dem Anspruch an, bei der kommenden Bundestagswahl die stärkste politische Kraft zu werden“, sagt Martin Schulz, der Kanzlerkandidat und künftige SPD-Vorsitzende bei der offiziellen Kandidaten-Präsentation im Willy-Brandt-Haus am Sonntag in Berlin. „Und ich trete an mit dem Anspruch, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden“, fügt er hinzu. Zwischen diesen beiden Sätzen liegt – wegen des lauten Jubels – eine längere Pause.

Neue Hoffnung mit Martin Schulz

Für die SPD bedeutet die Kandidatur von Martin Schulz neue Hoffnung. Mehrere hundert Mitglieder, dicht an dicht gedrängt, feiern den bisherigen Europapolitiker wie einen Erlöser. Schulz lacht, reißt die Hände hoch, schaut und winkt nach oben, wo – mangels eines anderen Platzes – viele aus dem Treppenhaus heraus zuschauen. SPD-Generalsekretär Katarina Barley verkündet, seit Dienstag habe es rund 700 Neueintritte in die SPD gegeben.

In seiner einstündigen Rede spricht Schulz auch über seine Lebensgeschichte, von welcher der scheidende Parteichef Sigmar Gabriel sagt: „Sozialdemokratischer kann eine Biografie nicht sein.“ Schulz sagt: „Ich bin der Sohn von einfachen Leuten.“ Als begeisterter Fußballer habe er Zeit lieber auf dem Sportplatz als auf der Schulbank verbracht. „Als junger Mann sind meine Fußballträume dann zerplatzt und in dieser Zeit habe ich die Orientierung verloren“, erzählt er. „Ich weiß, was es bedeutet, wenn man vom Weg abkommt, aber ich weiß auch, wie gut es sich anfühlt, wenn die Familie und Freunde einen wieder aufrichten und man dadurch eine zweite Chance bekommt.“

Angela Merkel ist kein Thema

Das soll jetzt die immer wiederkehrende sozialdemokratische Erzählung des Kandidaten Schulz sein. „Hier stehe ich – und ich kenne die Sorgen der ganz normalen Menschen“ – so lässt sich die Botschaft zusammenfassen. Schulz selbst formuliert sie so: „Nach meinem Verständnis muss ein Bundeskanzler für die Alltagssorgen, für die Hoffnungen wie für die Ängste der Menschen nicht nur Verständnis  haben, sondern er muss sie selbst mit einer tiefen Empathie empfinden können.“ Und: „Sonst ist er oder sie fehl am Platz.“

Das Wort Merkel benutzt Schulz übrigens kein einziges Mal. Allerdings hat schon der scheidende Parteichef Gabriel, der Schulz die Kandidatur angetragen hat, in seiner Rede klargemacht, dass die SPD keinesfalls für eine Neuauflage der großen Koalition werben will. Der Kandidat selbst sagt zum Thema Koalitionen nichts. Schulz betont, Deutschland müsse gerechter werden. Die Politik solle ihre Aufmerksamkeit auf „die hart arbeitenden Menschen“ richten, die sich an die Regeln hielten – eine Formulierung des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, auf die er schon in den vergangenen Tagen immer wieder zurückgegriffen hat. Er warnt auch vor der Geringschätzung der Provinz, sagt: „Ich schäme mich nicht, dass ich aus Würselen komme, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen.“

Schulz bleibt unkonkret

Insgesamt bleibt Schulz aber inhaltlich recht unkonkret in seiner Rede. „Die Bekämpfung der Steuerflucht wird ein zentrales Wahlkampfthema sein“, das ist eine der wenigen konkreten Aussagen zu der Frage, wie es zu einem Mehr an Gerechtigkeit kommen soll.

Was er sich genau zum Thema der Zukunft des Steuersystems vorstellt, erfahren die Zuhörer nicht. Immerhin, Schulz, der überzeugte Europäer, macht eine deutliche Ansage in Sachen EU und Flüchtlinge: Wenn einige Länder bei der Strukturförderung die Solidarität Europas in Anspruch nähmen, aber die Solidarität an anderer Stelle verweigerten, „dann muss eine künftige Bundesregierung die Frage der Solidarität bei er Flüchtlingspolitik mit der nächsten EU-Finanzplanung verbinden“.

Nette Worte für Sigmar Gabriel

Die SPD-Mitglieder im Willy-Brandt-Haus stören sich vorerst noch nicht an den inhaltlichen Unschärfen. Und obwohl manch einer hier Sigmar Gabriel übel nimmt, dass dessen Rückzug zuerst über ein Interview in den Medien bekannt wurde, gibt es großen Applaus, als Schulz Gabriel einen Freund und einen „tollen Typen“ nennt. Gabriel steht kurz auf, zeigt dann aber sofort nach vorn zu Schulz, um so zu demonstrieren: Jetzt geht es um den Kandidaten.

Der schließt seine Rede mit der Ansage: „Jeder spürt es: Es geht ein Ruck durch die SPD, es geht ein Ruck durch das ganze Land.“ Und er bittet um Unterstützung.