Manfred Stolpe wird 70 Manfred Stolpe wird 70: «Wandelnde Zeitgeschichte» im Ruhestand

Potsdam/dpa. - Auf Manfred Stolpes Memoiren wird die Welt noch eine Weile warten müssen. «Vielleicht in zehn Jahren», schätztBrandenburgs langjähriger Ministerpräsident und spätereBundesverkehrsminister, der am 16. Mai seinen 70. Geburtstag feiert.Seit er die politische Bühne in Berlin im Herbst 2005 verließ, hatfür den gebürtigen Stettiner das «selbstbestimmte Leben» begonnen,das allerdings immer noch für einen prall gefüllten Terminkalendersorgt. Denn: «Gartenbau und Viehzucht waren nicht so ganz meineVorstellungen.»
Noch immer beginnt der Tag eisern in aller Frühe mit Meditationund Liegestützen. Der Verzicht auf Dienstwagen und Chauffeur fielStolpe nicht schwer: Während seiner 15 Regierungsjahre sei er immerauch selbst Auto gefahren, erzählt er. Zur Orientierung im Alltagohne Untergebene trug außerdem bei, dass er stets «das Einkaufengeübt» habe. «Ich weiß genau, was wo steht und was es kostet.» Vonseinem geräumigen Haus in Potsdam-West aus organisiert Stolpe jetztselbst seine öffentlichen Auftritte.
Mit seiner politischen Erfahrung und jahrzehntelangen Arbeit alsJurist für die Evangelische Kirche in der DDR ist Stolpe eingefragter Redner. «Das hängt einfach damit zusammen, dass ichnatürlich so etwas wie wandelnde Zeitgeschichte bin.» Danebenengagiert sich der 69-Jährige für die nachbarschaftlichen Beziehungenzu Deutschlands osteuropäischen Nachbarn, vor allem Russland undPolen.
Als Vizevorsitzender des Deutsch-russischen Forums (PetersburgerDialog) ist Stolpe derzeit an der Vorbereitung einer großen Konferenzin Dresden beteiligt, zu der auch Russlands Staatschef Wladimir Putinund Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet werden. Diegegenwärtige Entwicklung in Polen sieht der Brandenburger mit Sorge.Die dortigen Machthaber setzten offenbar auf Stimmungen gegenDeutschland und Russland. «Das ist nicht ganz ungefährlich.»
Die deutsche und europäische Politik sei durch die «Querschüsseaus Warschau» nicht unbegrenzt belastbar. «Da muss man versuchen, dasgewachsene Vertrauen zu erhalten», mahnt Stolpe. Seine zweite großeLeidenschaft gilt der Erhaltung alter Kulturbauten und Denkmäler imNordosten der Republik. Sie sei jedoch nur dann sinnvoll, wennSchlösser, Klöster oder auch Herrenhäuser dauerhaft genutzt und somit Leben erfüllt würden.
Sowohl in der Bundes- als auch Landes-SPD zeigt Stolpe weiterhinFlagge. Er macht keinen Hehl daraus, dass er die Bildung von SPD/CDU-Koalitionen auf Bundes- und Landesebene begrüßt. Schon 1990 wäreangesichts der einmaligen Herausforderung der Wiedervereinigung dieBündelung nationaler Kräfte besser als der Parteienstreit imWahlkampf gewesen. «Das ist richtig, was jetzt in Deutschland läuft»,lautet sein Kommentar zur großen Koalition.
Den Geburtstagsempfang am kommenden Dienstag auf der PotsdamerHalbinsel Hermannswerder richten die Evangelische Kirche sowieBrandenburgs Landtag und Regierung aus. Zur Schar der Gratulantenwerden auch Weggefährten aus der Schulzeit gehören. Die Festrede hältder Theologe Richard Schröder.
Für die bevorstehenden Ehrungen hat Stolpe gerade mit seiner FrauIngrid Kraft geschöpft: «Wir haben in unserer über 40-jährigen Ehejetzt das allererste Mal eine gemeinsame Reise von zweieinhalb Wochengemacht, wo ich nicht zwischendurch verschwunden bin. Auch das wareine ganz neue Erfahrung.»