Luftsicherheitsgesetz Luftsicherheitsgesetz: Schäuble bleibt bei seinem Abschussvorhaben

Berlin/dpa. - «Wenn man es regeln will, kann man es so regeln», sagte Schäuble amMittwoch in Berlin. Sein Vorschlag sei fachlich abgestimmt - dies seijetzt eine politische Frage. Ein Sprecher von BundesjustizministerinBrigitte Zypries (SPD) sprach von Vorschlägen, «wieVerfassungsänderungen formuliert werden könnten, wenn sie dennpolitisch gewollt sind». Die SPD blieb auf Distanz, die Unionverteidigte ihren Minister.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt nach Worten vonRegierungssprecher Ulrich Wilhelm den Innenminister«selbstverständlich dabei, hier gute, adäquate Lösungen zu finden».Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe der Staat in derVerantwortung, Rechtssicherheit zu schaffen. Karlruhe hatte am 15.Februar 2006 einen zentralen Paragrafen des rot-grünenLuftsicherheitsgesetzes kassiert, der den Abschuss eines entführtenund als Waffe eingesetzten Flugzeuges zulassen wollte.
Schäuble berief sich auf die Koalitionsvereinbarung. Danachwollten Union und SPD nach der Karlsruher Entscheidung tätig werden.Die fachliche Lösung besteht nach Auffassung Schäubles in einerErgänzung des Artikels 87a des Grundgesetzes. Dort heißt es in Absatz2, dass Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werdendürfen, so weit die Verfassung das zulasse. Nur über eine Ergänzungdieses Satzes kann nach Überzeugung Schäubles dieverfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz in einerExtremsituation geschaffen werden.
Die Sozialdemokraten forderten Schäuble auf, seinen Vorschlagzurückziehen. Eine Verwischung von Kriegs- und Friedensrecht kommefür seine Partei nicht in Frage, bekräftigte Fraktions-Vize FritzRudolf Körper. Nach seinen Angaben wurden bei der Abstimmung aufFachebene zwischen Innen- und Justizministerium erheblicheverfassungsrechtliche Bedenken gegen Schäubles Linie geäußert. Diestellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt wies die Pläne Schäublesals «verwegene Idee» zurück. «Es ist nicht möglich, das Grundgesetzso zu zerkneten, dass ein "Quasi-Verteidigungsfall" herauskommt»,sagte sie der dpa in Stuttgart. Die Entführung eines Flugzeugs seieine Notsituation, in der sowieso der Verteidigungsministerindividuell entscheiden müsse.
Die Union forderte den Koalitionspartner zu einem Gegenvorschlagauf. «Die SPD hat bedauerlicherweise schon reflexartig Nein gesagt»,kritisierte Bosbach in der «Netzeitung». Die SPD solle die Fragebeantworten, wie «die offenkundige Schutzlücke» geschlossen werdenkönne. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-PeterUhl (CSU), nannte die von der SPD erwogene Änderung des Artikel 35(Katastrophenhilfe) ungeeignet, da dort nur die unbewaffneteAmtshilfe der Bundeswehr geregelt sei.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke,kritisierte die Haltung führender SPD-Politiker als unglaubwürdig.Faktisch sei die SPD auf den Kurs Schäubles eingeschwenkt. Dies zeigedie Äußerung ihres innenpolitischen Sprechers, Dieter Wiefelspütz,der die Anschläge des vom 11. September 2001 als «kriegerischeLuftzwischenfälle» definiere. Der parlamentarische Geschäftsführerder Grünen im Bundestag, Volker Beck, warnte den Minister im«Hamburger Abendblatt» (Donnerstag) vor «gesetzgeberischer Hybris».
Die FDP warf Schäuble vor, den Bundeswehreinsatz im Innerneinführen zu wollen. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft habesich Schäuble massiv dafür eingesetzt, dass die Bundeswehr Aufgabender Polizei übernehme, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin BirgitHomburger der dpa. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwarfden Vorstoß als einen erneuten Versuch, den Einsatz der Bundeswehrfür Polizeiaufgaben im Innern durch die Hintertür durchzusetzen.
Mehr als die Hälfte der Deutschen lehnt den Abschuss eines vonTerroristen entführten Flugzeuges ab. Nach Meinung von 55 Prozent derBefragten soll die Bundeswehr entführte Passagierjets beiTerrorgefahr nicht abschießen dürfen, ergab eine am Mittwochveröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid imAuftrag des Nachrichtensenders N24.