1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Lothar de Maizière wird 75: Lothar de Maizière wird 75: Anwalt, Musiker, Ex-DDR-Ministerpräsident

Lothar de Maizière wird 75 Lothar de Maizière wird 75: Anwalt, Musiker, Ex-DDR-Ministerpräsident

Von Jutta Schütz 26.02.2015, 10:44
Der Vorsitzende der Ost-CDU, Lothar de Maiziere, freut sich am 18. März 1990 über den Sieg der konservativen Allianz für Deutschland.
Der Vorsitzende der Ost-CDU, Lothar de Maiziere, freut sich am 18. März 1990 über den Sieg der konservativen Allianz für Deutschland. dpa/Archiv Lizenz

Berlin - Lothar de Maizière macht sich rar. Er sei verreist, heißt es in seinem Berliner Anwaltsbüro. Der erste frei gewählte und zugleich letzte DDR-Ministerpräsident wird am 2. März 75 Jahre alt. Der Mann, der die Ostdeutschen vor 25 Jahren in die Einheit führte, hat sich bis heute nicht zur Ruhe gesetzt. De Maizière arbeitet weiter als Anwalt. Sein Beruf mache ihm Freude und so lange das so ist, werde er nicht aufhören, ließ er ausrichten.

Eitel wirkte der Jurist, Kurzzeit-Politiker und Hobby-Musiker nie, dafür stets sachlich und gut informiert. „Ich war kein Politiker“, erklärte de Maizière 2010, als er sein Erinnerungsbuch „Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen“ vorlegte.

Blitzartig landete das langjährige Mitglied der Ost-CDU nach dem Mauerfall in der Weltpolitik. Die Wahlen zur Volkskammer im März 1990 gewann überraschend die Allianz für Deutschland mit der Ost-CDU an der Spitze, de Maizière wurde DDR-Ministerpräsident. Stellvertretende Pressesprecherin wurde die heutige Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Keine Alternative zur Einheit

Der Ostdeutsche verhandelte mit Michail Gorbatschow und erklärte dem sowjetischen Staatsmann, er komme nicht zum Befehlsempfang. Er trank mit der britischen Regierungschefin Margaret Thatcher Tee und war zu Besuch im Weißen Haus in Washington. Er war überzeugt, dass es keine Alternative zur Einheit gab.

Markus Meckel, Außenminister für die SPD in der damaligen Koalition, sieht seinen früheren Chef kritisch. Sie hätten viel gestritten, sagt Meckel. De Maizière habe ständig auf seiner Weisungsbefugnis und Richtlinienkompetenz beharrt. Die Verhandlungen zur Einheit seien nicht transparent gewesen. Er habe die ersten Papiere für den Einigungsvertrag durch Indiskretion aus dem Bonner Kanzleramt bekommen - und nicht von seinem CDU-Regierungspartner, erinnert sich der 62-Jährige.

Nach der Wiedervereinigung verschwand der zum Stellvertreter von CDU-Chef Kohl Aufgestiegene und Minister für besondere Aufgaben bald von der öffentlichen Bühne. Nach Stasi-Vorwürfen und Querelen mit der Bundes-CDU legte er im Herbst 1991 alle Ämter nieder. Er habe den Ausstieg nie bereut, notierte der Anwalt in seinem Buch. „Im Gegenteil, dieser Schritt gab mir ein Gefühl von innerer Freiheit.“

Sein ambivalentes Verhältnis zu Helmut Kohl beschrieb de Maizière so: er habe sich angemaßt, für die DDR zu sprechen und ihn nicht einmal zu informieren. Der Ex-Ministerpräsident setzte dagegen: Auch wenn die demokratische DDR 1990 nur wenige Monate bestand, habe sie Geschichte geschrieben und zum Ende des Kalten Krieges beigetragen.

Er habe zwar als Anwalt mit der DDR-Staatssicherheit zu tun gehabt, um Ausreisen für inhaftierte Oppositionelle zu erreichen, schrieb de Maizière. „Inoffizieller Mitarbeiter war ich nie, auch wenn die Stasi mich möglicherweise unter dem Decknamen 'Czernie' geführt haben sollte.“ Sarkastisch meinte de Maizière: Wäre er IM (Inoffizieller Mitarbeiter) gewesen, hätte er wenigstens dafür gesorgt, dass der arme Pianist Carl Czerny (1791-1857) richtig geschrieben worden wäre, nämlich mit y.

Zugewinn an Freiheit

De Maizière wandte sich auch gegen Verdächtigungen, aus seiner Freundschaft zu Gregor Gysi eine Spitzeltätigkeit abzuleiten. Beide waren in der DDR Anwalts-Kollegen. De Maizière wurde Rechtsanwalt, nachdem er seinen Musikerberuf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste.
Gysi ließ nun auf Anfrage mitteilen, sein früherer Kollege sei eine in jeder Hinsicht besondere Persönlichkeit. „Lothar de Maizière war und bleibt eigenständig, lässt sich nicht vereinnahmen und ist in Freundschaften treu.“ Er wünsche ihm Gesundheit und schöne Erlebnisse.

Zuletzt war de Maizière vorgeworfen worden, als Chef des Peterburger Dialogs auf deutscher Seite zu russlandfreundlich zu agieren. Er hatte dem Westen schon vor Monaten empfohlen, in der Ukraine-Krise auf Russland zuzugehen. Seine Ablösung sowie Bahnlobbyist Ronald Pofalla als Nachfolger des deutsch-russischen Gesprächskreises sind im Gespräch.

Thomas de Maizière, CDU-Bundesinnenminister, ist der Cousin des Ostdeutschen. Die Kontakte seien während der Teilung nie abgerissen. „Er war die familiäre Schaltstelle im Westen, ich im Osten“, hatte Lothar de Maizière berichtet.

Der Anwalt schätzt bis heute den Zugewinn an Freiheit. Die Menschen seien aber nun auch frei, jede Dummheit zu sagen. „Das kann auch wehtun“, hatte er der „Berliner Zeitung“ gesagt. Und in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ meinte de Maizière: „Ich kriege die DDR nicht mehr aus dem Anzug geschüttelt, und das will ich auch nicht.“ (dpa)

Der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere im Juni 2011 im Landtag in Hannover.
Der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere im Juni 2011 im Landtag in Hannover.
dpa Lizenz