Lothar de Maizière Lothar de Maizière: Mit Sarkasmus gegen Kohl und Merkel
Berlin - Irgendwann ist er doch noch angekommen – im Westen. Die Anwaltssozietät, der Lothar de Maizière angehört, hat ihren Sitz dort, wo Berlin nicht westlicher sein könnte: Am Kurfürstendamm. Und dennoch weiß der erste und letzte demokratisch gewählte Ministerpräsident des untergegangenen deutschen Staates: „Ich kriege die DDR nicht mehr aus dem Anzug geschüttelt, und das will ich auch nicht.“ Ebenso wenig mag er Rummel um seine Person. Deswegen ist de Maizière rechtzeitig vor seinem 75. Geburtstag am heutigen Montag verreist.
Spross einer Hugenottenfamilie
Ein ungleiches Gespann waren sie und in ihrer Unterschiedlichkeit die passenden Repräsentanten ihrer Teilstaaten im Prozess der deutschen Einheit: Hier der kleine, schmächtige Mann aus Ost-Berlin, dort der übergewichtige Kraftmensch aus Bonn. In der Satiresendung „Hallo Deutschland“ bekam die Gummipuppe Lothar de Maizière regelmäßig von der Puppe Helmut Kohl eins über den Schädel gezogen. Bis heute gibt es Menschen, die diese Darstellung für nur geringfügig übertrieben halten.
Seit 1956 hat der Spross einer alten Hugenottenfamilie (zu der auch Innenminister Thomas de Maizière zählt) der Ost-CDU angehört, war aber, wie er immer wieder betont hat, „nicht einmal Kassierer“. Engagiert hat sich er sich in der evangelischen Kirche. Jene Zeiten, die in der DDR das Unterste zu Oberst gekehrt haben, stülpten auch sein Leben um: Der Mann, der wegen einer Nervenentzündung seinen Beruf als Bratschist aufgeben musste, wurde Vorsitzender der Ost-CDU.
Er führte sie in das „Bündnis für Deutschland“ mit der westlichen Schwesterpartei, gewann – damals überraschend – die erste freie Wahl zur Volkskammer und wurde zum Ministerpräsidenten gewählt. Seine Amtszeit dauerte nicht einmal ein halbes Jahr. Am 3. Oktober 1990 ging mit dem Land auch seine Regierung in der Bundesrepublik auf.
Wie viele Zeitgenossen, die einen ähnlichen Weg gingen, musste Lothar de Maizière mit dem Vorwurf herumschlagen, Mitarbeiter der Stasi gewesen zu sein. In einer Akte tauchte er als „IM Czernie“ auf. Als Anwalt hatte er mit den „Organen“ der DDR zu tun, aber Mitarbeiter sei er nie gewesen, betonte er. Außerdem: Andernfalls hätte er dafür gesorgt, dass der Name, dem eines Pianisten aus dem 19. Jahrhundert nachempfunden, wenigstens richtig geschrieben worden wäre – mit „y“.
Aber die Debatte machte ihn mürbe. Der Vater dreier Töchter zog sich aus seinen Ämtern in Regierung und CDU zurück. Er schrieb seine Erinnerungen über die Wiedervereinigung, die ein wenig von denen Helmut Kohls abwichen. Er praktizierte wieder als Anwalt, zunächst am Ostberliner Kupfergraben, nahe der Wohnung seiner ehemaligen stellvertretenden Regierungssprecherin: Angela Merkel.
Im Lauf der Jahre wurde er als „elder statesman“ wieder politisch aktiv. Etwa im „Petersburger Dialog“, ein gesellschaftlich-politischer Zusammenschluss zur Verständigung mit Russland. Doch durch seine Ablehnung von Sanktionen gegen Moskau zeigte er der Bundesregierung wohl zu viel Verständnis. Ex-Kanzleramtsminister Pofalla soll ihn als Vorsitzenden ablösen. Gefragt, was es ihm bedeute, das Merkels Regierung sich gegen ihn stelle, antwortete er: „Ich weiß nicht, ob das bei der Fülle ihrer Aufgaben in der ganzen Breite zu ihr gedrungen ist.“ Sarkasmus hat ihm schon im Umgang mit Helmut Kohl geholfen.