Zehn Jahre Linke Linken-Parteitag: Oskar Lafontaine hält die deutsche Gesellschaft nicht für demokratisch

Berlin - Eines immerhin kann man festhalten. Während Wolf Biermann die Linksfraktion im Bundestag einst heftig attackierte, hält es Nina Hagen anders. Sie sang der Fraktion am Freitagnachmittag ein paar Lieder – und dies aus Zuneigung. Die Familie ist da politisch gespalten.
Die Linksfraktion hatte in den Gasometer nach Berlin-Schöneberg geladen. Motto der Veranstaltung: „Links, wo das Herz schlägt.“ Was dem Publikum da geboten wurde, war ein bunter Strauß. Zudem traten Menschen gemeinsam auf, die sich sonst nicht sehr grün sind: die Parteigründer Gregor Gysi und Oskar Lafontaine – oder Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Es macht einen Unterschied wer regiert und wer nicht
Ramelow, der dem Parteitag in Hannover fern geblieben war, berichtete vom Regieren in einer rot-rot-grünen Koalition. Dabei ging es pragmatisch zu. Die Ehe für alle gehe mit auf deren Konto, sagte er. Weitere Themen: die Entkriminalisierung von Cannabis, die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die angestrebte Abschaffung des Kooperationsverbots in der Bildung.
Und während es in Thüringen keine Studiengebühren gebe, würden sie im schwarz-gelben Nordrhein-Westfalen (für Nicht-EU-Ausländer) gerade wieder eingeführt. Die Botschaft war klar: Es mache schon einen Unterschied, wer regiere – und wer nicht. Berlins Kultursenator Klaus Lederer mahnte, die Linke müsse möglichst vielen Menschen Zugang zur Kultur verschaffen. Die Verantwortlichen müssten auch Kulturfernen verdeutlichen: „Das hat was mit Eurem Leben zu tun.“ Es ging also um die realpolitischen Mühen der Ebene.
Wagenknecht und ihr Co-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch schienen eher das Ziel zu verfolgen, die großen Linien für den Wahlkampf zu ziehen. Bartsch sprach über Krieg und Frieden sowie die anhaltende Weigerung der Linken, Auslandseinsätzen der Bundeswehr zuzustimmen. „Die Linke wird Friedenspartei bleiben“, erklärte er – zumal keiner der laufenden Kriege Frieden geschaffen habe.
Lafontaine hält die Gesellschaft nicht für demokratisch
Stattdessen seien Flüchtlingsströme und Terror auch bei uns die Folge. Wagenknecht kritisierte: „Die Existenz der Millionenvermögen beruht auf Enteignung.“ Natürlich würde sie sich wünschen, dass jene in die Opposition geschickt würden, die diese Politik zu verantworten hätten. Doch erstens müsse die Linke dazu „noch ein bisschen zulegen. Da ist noch ganz viel Luft nach oben.“ Und zweitens habe die Linke dafür gesorgt, „dass es wenigstens eine Opposition gibt“. Zuvor hatte Lafontaine behauptet, „diese Gesellschaft“ sei gar „nicht demokratisch, weil sich die Interessen der Mehrheit nicht durchsetzen“.
Etwas aus dem Rahmen fiel Gysis Vortrag, der sich mit der Lage der Ostdeutschen beschäftigte. Diese hätten weniger Einkommen und weniger Vermögen als die Westdeutschen. Auch seien sie selbst in den ostdeutschen Führungspositionen mit 23 Prozent unterrepräsentiert. Die stärkere Neigung der Ostdeutschen, rechte Parteien zu wählen, sei wiederum darauf zurück zu führen, dass die DDR „eine geschlossene Gesellschaft“ gewesen sei, die Ostdeutschen sich als Verlierer der deutschen Geschichte und überhaupt als Deutsche zweiter Klasse fühlten, die von mehr Ängsten geplagt würden. Als solche wollten sie zuweilen „noch jemanden unter sich haben“ – Migranten nämlich. Auch darum müsse sich die Linke um den Osten weiter besonders kümmern.
Ihr Vorgänger als Fraktionsvorsitzender erlaubte sich übrigens noch einen Kommentar zu Wagenknechts flüchtlingskritischen Äußerungen vom Frühjahr. „Links bist Du erst, wenn Du an der Seite aller Schwachen stehst“, sagte er. Die Feststellung schien Gysi am Herzen zu liegen.