Libyen Libyen: Gaddafis Sohn Saif al-Islam in der Wüste gefasst
Madrid/MZ - Ein Verräter lieferte den zweitmächtigsten Mann der gestürzten libyschen Diktatur, den seit Monaten gejagten Gaddafi-Sohn Saif al-Islam (39), ans Messer. Die libyschen Rebellen berichteten nach der Festnahme des Gaddafi-Sprösslings: „Wir hatten einen Tipp bekommen.“ Er sei mit einigen Begleitern in seinem Versteck in der südlibyschen Wüste gefasst und bei der Festnahme „nicht verletzt“ worden. Saif war der bekannteste sowie zweitälteste Sohn des inzwischen toten Despoten Muammar al-Gaddafi und war im Krieg gegen die Opposition immer wieder mit Hetzreden aufgetreten.
Die libysche Übergangsregierung will Saif nicht an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern, sondern ihn im eigenen Land vor Gericht stellen. „Wir versprechen den Libyern und der Welt, dass Saif al-Islam einen fairen Prozess bekommen wird“, sagte der neue Übergangsministerpräsident Abdel Rahim el Kib. Justizminister Mohammed al-Alagy versicherte, dass man beim Verfahren gegen den Gaddafi-Sohn „internationale Beobachter“ zulassen werde. „Wir haben Vertrauen in die libysche Justiz.“ Zehntausende von Libyern feierten auf den Straßen von Tripolis die Gefangennahme Saifs.
Verwundet an der rechten Hand
Eingehüllt in eine Decke, drei Finger der rechten Hand sind dick bandagiert, aber offenbar ansonsten unversehrt - so sieht man Saif al-Islam kurz nach seiner Festnahme auf einem Sofa liegen. Die Verletzung an seiner Hand stamme von einem Nato-Luftschlag einen Monat zuvor, sagte er.
Dabei könnte es sich um jenen Nato-Angriff am20. Oktober auf einen Fahrzeug-Konvoi gehandelt haben, mit dem Saifs Vater aus der libyschen Stadt Sirte fliehen wollte. Der Konvoi war bombardiert worden, wenig später war Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi von den Rebellen festgenommen, vor laufenden Kameras misshandelt und wenig später unter nicht ganz geklärten Umständen durch eine Schussverletzung umgekommen.
Der gewaltsame Tod von Muammar al-Gaddafihatte im Ausland für Zweifel an der Versicherung der Übergangsregierung gesorgt, rechtsstaatliches Vorgehen garantieren zu können. Auch Saif war damals in diesem Flucht-Konvoi vermutet worden.
Die Rebellen stellten Saif al-Islam, der seitdem untergetaucht war, nun in der Nähe der südlichen Oasenstadt Ubari, knapp 1 000 Kilometer südlich von Tripolis. Von dort sind es nur noch etwa 400 Kilometer zur algerischen wie auch zur nigrischen Grenze. Offenbar wolle Saif über eine der beiden Grenzen fliehen.
Internationaler Haftbefehl
Kurz nach seiner Festnahme wurde er in einer Militärmaschine in die Stadt Zintan, etwa 160 Kilometer südlich von Tripolis, geflogen, wo er nun im Gefängnis sitzt. „Er ist nicht verletzt und wird unversehrt vor ein Gericht gebracht werden“, versprach der an der Verhaftung beteiligte Rebellen-Kommandeur Wisam Dughaly im libyschen Fernsehen.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte am 27. Juni2011 einen Haftbefehl gegen Saif al-Islam und gegen seinen Vater erlassen. Beiden wird „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen. Sie sollen die gezielte und massenhafte Tötung, Folter und Vergewaltigung von Zivilisten während des libyschen Aufstandes befohlen haben, der Mitte Februar begann und mit dem Sturz des Gaddafi-Regimes endete.
Der Chefankläger des Strafgerichtshofes, Luis Moreno Ocampo, kündigtebereits an, in die libysche Hauptstadt Tripolis reisen zu wollen, um mit der Übergangsregierung das weitere Vorgehen zu diskutieren. „Die gute Nachricht ist, dass Saif sich vor der Justiz verantworten muss. Wo und wie, das werden wir besprechen“, sagte er.
