Landtagswahlen in Thüringen Landtagswahlen in Thüringen: Lange Gesichter bei der SPD

Erfurt - Bei der SPD gab es am Sonntagabend lange Gesichter. „Es ist ein bitteres Ergebnis“, sagte Spitzenkandidatin Heike Taubert – ein Ergebnis allerdings, das man gemeinsam tragen werde. Der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein erklärte: „Wir sind in den letzten Wochen unter die Räder gekommen.“ Und man könne nun nur hoffen, dass doch noch Sondierungsgespräche bzw. Koalitionsverhandlungen mit beiden Seiten möglich seien - mit Schwarzen und Roten. Aus dem Umfeld des linken Spitzenkandidaten Bodo Ramelow verlautete im Thüringer Landtag: „Das wird ein langer Abend. Bei der SPD werden massive Machtkämpfe ausbrechen.“
Womit niemand gerechnet hatte, das schien am Sonntag einzutreten: dass Rot-Rot-Grün die Mehrheit verfehlt, obwohl die Ökopartei in den Landtag einzieht. Das hatte niemand erwartet, weil solche Verlusten der SPD keiner einkalkuliert hatte. Und selbst wenn es eine Mehrheit geben sollte, so wäre sie doch denkbar knapp – vielleicht zu knapp für ein Bündnis. Dann bliebe es bei der großen Koalition. Andernfalls stünden zumindest harte Verhandlungen bevor, bis der in Osterholz-Scharmbeck geborene 58-Jährige Ramelow das Amt des Regierungschefs bekleiden dürfte.
Zunächst würde es Sondierungsgespräche aller für eine Regierungsbeteiligung infrage kommenden Partner geben – also vermutlich sämtlicher Parteien unter Ausschluss der Alternative für Deutschland. Danach könnte die durch das Wahlergebnis noch einmal geschwächte Thüringen-SPD ihre rund 4300 Mitglieder befragen, mit wem sie es denn halten wollen – wie bisher mit der CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht oder lieber mit Linkspartei und Grünen. Das Votum soll verbindlich sein und nicht von Parteigremien im Nachhinein kassiert werden können. Sollten rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen stattfinden und diese erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können, würde abschließend die Linke ihre Mitglieder konsultieren. Diese Abstimmung dürfte bloß noch Formsache sein.
Hindernisse gäbe es trotzdem. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, hat Ende voriger Woche kundgetan, dass ein linker Ministerpräsident den Opfern der SED-Diktatur nicht zuzumuten wäre. „Sie haben die Linkspartei nicht als eine Partei erlebt, die deutlich gesagt hat, was an Unrecht in der DDR geschehen ist“, sagte er anlässlich des Mauerfalljubiläums. „Auch nicht als eine Partei, die sicherstellt, dass dieses Unrecht nicht wieder geschehen kann.“ Ähnlich hatten sich zuvor 40 ehemalige Dissidenten in einem Aufruf geäußert. Unter den SPD-Mitgliedern dürfte es ebenfalls einige geben, die zwar Ramelow nicht fürchten, jedoch Ewiggestrige hinter ihm.
Hoffnung auf Bausewein
Überdies sorgen sich manche in der SPD um das Profil der Partei, sollte sich die Linke in einer Regierung so sozialdemokratisch-staatstragend gebärden, wie sie es im Wahlkampf tat. Wohl haben Bausewein und sein Jenaer Kollege Albrecht Schröter für eine Linkskoalition plädiert. Auf Bausewein ruhen schon seit geraumer Zeit große Hoffnungen. Ein SPD-Abgeordneter aus Thüringen nannte eine solche Konstellation dieser Tage hingegen „gefährlich“. Die Sorge dürfte bei manchen noch gewachsen sein, weil die SPD im Land von den Wählern am Sonntag auf Zwergen-Niveau geschrumpft wurde. Da stellt sich die Frage: Was wäre in fünf Jahren? Waren die Verluste Konsequenz der ungeliebten großen Koalition? Oder waren sie schon die Quittung für einen möglichen Koalitionswechsel weg von der CDU?
Für Ramelow bestünde die Herausforderung darin, die Partner in einer Dreier-Koalition bei Laune zu halten. Er müsste SPD und Grünen zweifellos mehr geben, als ihnen qua Wahlergebnis zusteht – mehr Posten und Positionen. Das wiederum wäre ein Risikofaktor für die eigene Identität. Es soll ja nicht so aussehen, als gäbe die Linke für den ersten Ministerpräsidenten aus ihren Reihen das allerletzte Hemd.
Nicht vor Mitte November
Es gälte also allerlei abzuwägen. Das bräuchte umso mehr Zeit, wenn zwei Parteien ihre Mitglieder befragen wollen und mit dem 9. November ein Jahrestag im Weg steht, der zu einem linken Ministerpräsidenten jedenfalls aus Sicht der einstigen DDR-Opposition nicht so recht zu passen scheint. Sollte das rot-rot-grüne Bündnis unter Führung Bodo Ramelows mithin tatsächlich zustande kommen, dann – so heißt es – nicht vor Mitte November. Wenn überhaupt.
