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Lage in Bautzen Lage in Bautzen: Aufregung um Unions-Plausch mit Neonazi

Von Bernhard Honnigfort 16.12.2016, 09:37
 Polizeibeamte stehen im September 2016 in Bautzen (Sachsen) auf der «Platte», dem Kornmarkt Versammlungsteilnehmern aus dem politisch rechten Spektrum gegenüber.
 Polizeibeamte stehen im September 2016 in Bautzen (Sachsen) auf der «Platte», dem Kornmarkt Versammlungsteilnehmern aus dem politisch rechten Spektrum gegenüber. Xcitepress

Dresden - Der CDU-Landrat von Bautzen trifft sich mit dem NPD-Kreisvorsitzenden zum Gespräch über die Lage. Ist das klug? Aufregung und Ärger sind groß

Bautzens Landrat Michael Harig hat sich mit dem NPD-Kreisvorsitzenden Marco Wruck getroffen um einmal über die Lage in der oststächsischen Stadt zu sprechen - ein CDU-Politiker und ein Neonazi. Thema waren die heftigen Ausschreitungen im September. Damals hatten sich etwa 80 Rechte und 20 junge Asylbewerber auf dem Kornmarkt im Zentrum Bautzens gegenseitig mit Flaschen und Steinen beworfen. Neonazis jagten die Flüchtlinge anschließend durch die Stadt bis zu ihrer Unterkunft. Tage zuvor hatte NPD-Mann Wruck unter dem Motto „Remigration statt Immigration“ zu einer Kundgebung auf den Kornmarkt im Zentrum Bautzens aufgerufen. Danach liefen die Dinge aus dem Ruder.

„Sachsen wehrt sich“

Ein Christdemokrat spricht mit einem Vertreter einer rechstextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Partei? Der 32-jährige Wruck ist Anführer einer Gruppe namens „Sachsen wehrt sich“. Der 2014 wegen Betrugs zu zehn Monaten Haft verurteilte Mann hatte den Landat um das Treffen gebeten. Und Harig steht dazu. Am Donnerstagabend begründete er noch einmal seine Entscheidung, „mit denen Gespäche zu führen, die dafür zugänglich sind“.

Dem MDR sagte er, darüber lasse er sich auch nicht belehren. Weder von seiner eigenen Partei noch von anderen. Es mache Sinn, mit allen Beteiligten in Bautzen zu reden, um die Verhältnisse im positiven Sinn zu verändern. Er habe Wruck aufgefordert, „seinen Einfluss dahingehend geltend zu machen, der Verrohung in den sozialen Netzwerken keinen Vorschub zu leisten, indem verbal - im Sinne des Wortes - abgerüstet wird". Das Gespräch sei sachlich und vernünftig gelaufen. Auch Wruck fand es angenehm. Er werde an seinem Verhalten in sozialen Netzwerk aber nichts ändern, da es sich um sein privates Profil handle, sagte er. Aber auch er wolle dazu beiragen, dass im Stadtzentrum wieder Ruhe einkehre.

Vertreter von „Bautzen bleibt bunt“ sollen auch kommen

Beide Seiten würden bei weiteren Terminen miteinander reden. Auch Oberbürgermeister Peter Ahrens und Vertreter aus dem rechten Lager sollten teilnehmen. Er könne sich sogar vorstellen, so Wruck, dass Vertreter vom Bündnis „Bautzen bleibt bunt" mit am Tisch sitzen.

Ob die mitmachen werden, ist sehr fraglich. Es gab eine Menge Kritik an dem Gespräch. Dem Landrat wurde vorgeworfen, er mache Rechtsextremisten salonfähig. Volker Zschocke, Grünen-Fraktionschef im Dresdner Landtag, erinnerte daran, dass gerade ein NPD-Verbotsantrag laufe, der auch von Christdemokraten getragen werde. Die sächsische CDU von Ministerpräsident Stanislaw Tillich sollte einmal klären, „was sie unter Demokratie-Dialog versteht“, so Zschocke. „Das sind ja nun mal keine rechtsorientierten, besorgten Bürger, wie man sie heute nennt. In meinen Augen sind das Nazis und ich wüsste nicht, was man mit denen besprechen sollte", meinte Claus Gruhl vom Grünen-Kreisverband Bautzen. Der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung hatte vorab gewarnt, mit dem Treffen honoriere man die rechten Krawalle in Bautzen. Das würde in der rechtsextremen Szene die Ansicht befördern, man müsse nur mehr Krawall anzetteln, um gehört zu werden. So entstehe Gewalt und dadurch ein „Erpressungspotenzial".

Die Grünen schreien auf

Aber es gab auch vorab eine Menge Zuspruch. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer meinte, ein Treffen sei nicht falsch, nur weil „grüne Oppositionspolitiker gleich rumschreien". Harig sei ein erfahrener Demokrat und wisse, was er tue. Und es gab Unterstützng aus der SPD: Der Landrat habe sich in den letzten Jahren immer gegen rechte Tendenzen gewehrt. Zudem sei es nötig, „den Leuten ins Gesicht zu sagen, was man von ihnen hält", meinte der Bautzener Sozialdemokrat Roland Fleischer im MDR. Das Gespräch sei daher legitim.

Als sich der parteilose Oberbürgermeister Alexander Ahrens im Oktober zusammen mit dem Staatsschutz mit rechten Gruppen zum Gespräch traf, war das wohl noch anders. Damals war ihm vom Bautzener CDU-Chef Matthias Knaak geraten worden, er solle genau zu prüfen, mit wem er sich an einen Tisch setze.

Michael Harig.
Michael Harig.
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