1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Lafontaine und Wagenknecht: Lafontaine und Wagenknecht: Ein polarisierendes politisches Team

Lafontaine und Wagenknecht Lafontaine und Wagenknecht: Ein polarisierendes politisches Team

Von Markus Decker 27.10.2016, 14:46
Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der dem linken Flügel angehört, sagte vor nicht allzu langer Zeit, das größte Hindernis für Rot-Rot-Grün seien zweifellos Lafontaine(r.) und Wagenknecht(l.).
Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der dem linken Flügel angehört, sagte vor nicht allzu langer Zeit, das größte Hindernis für Rot-Rot-Grün seien zweifellos Lafontaine(r.) und Wagenknecht(l.). imago stock&people

Vor ein paar Tagen meldete sich Oskar Lafontaine wieder zu Wort. Auf seiner Facebook-Seite bezeichnete er Grünen-Chef Cem Özdemir und die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt als „Hasardeure“, weil sie angesichts des Syrien-Krieges Härte gegen Russland gefordert hatten, so etwa Sanktionen und eine Flugverbotszone über dem von Russland kontrollierten Luftraum des zerfallenen Staates im Nahen Osten.

Ein Post als Akt der Opposition

Zufall oder nicht: Kurz zuvor hatten sich Anhänger einer rot-rot-grünen Koalition getroffen, der Lafontaines Frau Sahra Wagenknecht ablehnend gegenüber steht. Und gegen Özdemir und Göring-Eckardt dürfte eine derartige Koalition kaum zu machen sein. Der Post sieht mithin aus wie ein Akt der Opposition.

Am Mittwoch verhöhnte Lafontaine – ebenfalls bei Facebook – Göring-Eckardt ironisch als „engagierte Intellektuelle“, weil sie Wagenknechts Vokabular aufs Korn genommen hatte. Denn auf der Homepage von „Team Sahra“, also der Wagenknecht-Unterstützer, ist von „Mainstream-Medien“, von denen man sich „nicht für dumm verkaufen“ lasse, und von „Staatsversagen“ die Rede. Schlagworte, die häufiger in rechtspopulistischen Zusammenhängen auftauchen.

Nicht zuletzt an diesen beiden Beispielen sieht man: Lafontaine – 73 Jahre alt und Vorsitzender der saarländischen Linksfraktion – und die 47-järige Bundestagsfraktionschefin Wagenknecht sind nicht nur seit einiger Zeit verheiratet. Sie sind ein politisches Team. Und das seit langem.

Aus der linken Bundestagsfraktion verlautet, wenn Wagenknecht am Montag aus ihrem Wohnort Merzig nach Berlin komme, dann sei Lafontaines Einfluss stärker spürbar als an Freitagen, an denen die Sitzungswochen enden. Der einstige Linksfraktionschef Gregor Gysi hat einmal gesagt: „Alles Strategische kommt von ihm.“ Das mag stimmen oder auch nicht: Beobachtbar sind zwei Varianten der Kooperation.

Reibung mit der eigenen Partei als Erfolgsrezept

Die erste Variante ist die der konzertierten Aktion. So zogen Lafontaine und Wagenknecht gegen den Euro ebenso zu Felde wie gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin – im Gleichschritt und jeweils im Gegensatz zur Mehrheit der eigenen Partei. Dabei ist die Reibung an derselben für beide kein Hindernis, sondern eher ein Erfolgsrezept. Das gilt jedenfalls für Wagenknecht. Je mehr sie sich von der Mainstream-Linken entfernt, desto populärer wird sie jenseits derselben. Was zu dem kuriosen Effekt führt, dass parteiintern niemand als Spitzenkandidatin unumstrittener ist als die Fraktionschefin. Selbst ihre schärfsten Kritiker sagen: Ohne Wagenknecht geht es nicht.

Die zweite Variante der Zusammenarbeit scheint die zu sein, dass Lafontaine gezielt das sagt, was Wagenknecht in bestimmten Situationen nicht sagen kann – oder sagen will. Als die Parteivorsitzende Katja Kipping ihrer Konkurrentin Wagenknecht im Flüchtlingsstreit eine Nähe zum Rechtspopulismus attestierte, warf Lafontaine Kipping im Gegenzug „schlechten Stil“ vor. Und als die linke „tageszeitung“ in einem veröffentlichten Streitgespräch zwischen Wagenknecht und AfD-Chefin Frauke Petry ein „rechtes Konsensgespräch“ erkannte, ging „Lafo“ auf die „taz“ los. Er sprach von „rechtem Schmierenjournalismus“.

Lafontaine und Wagenknecht sind sehr präsent in den Medien

Die Kooperation der zwei ist übrigens auch an Einzelheiten erkennbar. So sitzt, wenn Lafontaine in einer der meist in Berlin produzierten politischen Talkshows erscheint, Wagenknechts Sprecher in der ersten Reihe des Publikums – so wie die Sprecher anderer Politiker auch. Ohnehin sind Lafontaine und Wagenknecht in den verachteten „Mainstream-Medien“, vor allem den öffentlich-rechtlichen, so präsent wie wenige. Allerdings lässt sich das Paar außerhalb des Saarlandes selten gemeinsam sehen. Eine Ausnahme ist der traditionelle Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Im Januar tauchten sie zusammen mit Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch auf, Lafontaines einstigem Intimfeind.

Was das alles für die Zukunft bedeutet, ist ungewiss. Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der dem linken Flügel angehört, sagte vor nicht allzu langer Zeit, das größte Hindernis für Rot-Rot-Grün seien zweifellos Lafontaine und Wagenknecht. Viele andere innerhalb und außerhalb der Linken sehen das genauso. Manche glauben jedoch, das müsse nicht unbedingt so bleiben. Denn vor dem Bundestag wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Lafontaine tritt dort abermals als Spitzenkandidat an. Sollte es in Saarbrücken zu einem nach den Umfragen durchaus denkbaren Linksbündnis kommen, so diese Einschätzung, dann wäre der Weg auch in Berlin für Rot-Rot-Grün sehr schnell frei.