Kritik an Erbschaftsteuer-Reform reißt nicht ab
Berlin/dpa. - Wirtschaftsverbände und Politiker der Koalition begrüßten am Freitag zwar überwiegend, dass es nach Jahren langem Streit eine Einigung gebe und Entlastungen geplant seien. In der Kritik stehen aber weiter die Auflagen für die Steuerbefreiung von Firmenerben sowie die Privilegien für Erben von selbstgenutztem Wohneigentum. Auch wurden Bedenken geäußert, dass das Bundesverfassungsgericht die Regeln nicht akzeptiert und auch gegen das neue Gesetz geklagt wird. Massive Kritik kam aus den Reihen der Opposition.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich am Donnerstagabend auf einen Kompromiss verständigt. Dieser sieht Begünstigungen für Firmenerben sowie bei selbst genutztem Wohnraum vor. Witwer, Witwen und Kinder können Wohneigentum steuerfrei erben, wenn sie dort zehn Jahre lang wohnen bleiben. Das gleiche betrifft eingetragene Lebenspartner. Für Kinder gilt die Steuerfreiheit nur, wenn die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht übersteigt.
Daneben gibt es zusätzliche Freibeträge, die für Ehegatten und Kinder deutlich auf 500 000 Euro beziehungsweise 400 000 Euro angehoben werden. Damit wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Höherbewertung von Immobilien kompensiert. Andere Verwandte wie Geschwister, Neffen und Nichten sowie nicht verwandte Erben werden durch die Reform hingegen schlechter gestellt.
Auch Betriebsvermögen muss nach den Vorgaben aus Karlsruhe künftig deutlich höher bewertet werden. Firmenerben können aber begünstigt werden. So müssen sie nur 15 Prozent des Betriebsvermögens versteuern, wenn der übernommene Betrieb sieben Jahre lang weitergeführt und eine bestimmte Lohnsumme eingehalten wird. Die Steuer entfällt komplett, wenn der Betrieb zehn Jahre lang weitergeführt wird. In diesem Fall wurde aber die Vorgabe bei der Lohnsumme schärfer gefasst. Hinzu kommen strenge Auflagen zum Umfang des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.
Industrie-Präsident Jürgen Thumann erklärte, «die Wirtschaft unterstützt die Optionslösung, die Erbschaftsteuer bei zehnjähriger Fortführung eines Unternehmens abzuschmelzen und komplett entfallen zu lassen - oder bei siebenjähriger Fortführung auf 85 Prozent abzuschmelzen.» Laut Handwerkspräsident Otto Kentzler schafft die Lösung Rechts- und Planungssicherheit für die Betriebsübergabe.
Der Präsident des Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Ludwig Georg Braun, sagte, mit dem Kompromiss sei Schlimmeres vermieden worden - «nicht mehr und nicht weniger». Für die Betriebe sei damit eine lange Hängepartie zu Ende. «Im Ergebnis bleibt es aber bei einem sehr komplizierten und bürokratischen Erbschaftsteuerrecht, das für die Betriebe mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist.» Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, forderte den Bundesrat auf, die Lohnsumme-Regeln zu korrigieren.
Für DGB-Vorstand Claus Matecki ist es das Positivste, dass es die Erbschaftsteuer weiter gebe. Sie schaffe aber neue Ungleichheiten. Die Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund kritisierte, dass der Erbe eines Mietshauses nicht in den Genuss der Steuerbefreiung komme. Zu bemängeln sei auch, dass die Steuerbefreiung von Immobilien nicht für Geschwister gelte. Der Kölner Steuerrechtler Joachim Lang hält die Neuregelungen laut der «Rheinischen Post» (Samstag) für verfassungswidrig.
Der Partei- und Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, sieht in dem Kompromiss eine Fortsetzung der «Umverteilungspolitik von unten nach oben». Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sagte, Union und SPD machten sich zur «Koalition der Millionärsschützer». FDP-Fraktionsvize, Carl-Ludwig Thiele, bemängelte: «Die Risiken und Nebenwirkungen der Regelungen zeigen sich erst später. Familienbetriebe bleiben die großen Verlierer.»
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) kritisierte das Vorgehen der CSU. «Diese Einigung hätten wir im April schon haben können, wenn sich die CSU nicht mit Blick auf den bayerischen Wahlkampf allen Gesprächen verweigert hätte», sagte Deubel in Mainz. Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Karl Lauk, sagte im RBB, zwar sei der Vorschlag deutlich besser als die Pläne davor. Die Erbschaftsteuer bleibe aber ein Bürokratie-Monster.