Krieg im Irak Krieg im Irak: Alliierte fanden bisher noch keine Chemiewaffen

Washington/dpa. - Die Fernsehbilder sind dramatisch: Soldaten in Gasmasken und Schutzkleidung öffnen Metalltonnen, entnehmen Proben und füllen sie in kleine Testbehälter. Zugleich wird bekannt, dass mehrere Soldaten über Übelkeit und Schwäche klagen - und schon sprechen einige mitreisende Reporter von dem lange erwarteten Fund irakischer Chemiewaffen. Doch wie schon bei früheren Gelegenheiten wiegeln US-Militärsprecher ab. Es könne sich bei dem Fund nahe Kerbela genau so gut um Insektenvernichtungsmittel handeln.
Über zwei Wochen nach Beginn des Krieges ist es den US-Truppen bisher nicht gelungen, Saddam Hussein den Besitz von Massenvernichtungswaffen nachzuweisen. Dutzende mutmaßlicher Produktions- und Lagerstätten wurden von den Spezialtruppen untersucht, doch bisher blieb der von der US-Regierung als «rauchender Colt» bezeichnete klare Beweis aus, dass der Irak weiter über Massenvernichtungswaffen verfügt. «Es ist eine harte Arbeit und wird lange dauern», gesteht Pentagonsprecherin Victoria Clark ein.
Experten verweisen darauf, dass es Hunderte Verdacht erregende Stellen im Irak gibt und nur ein verschwindend geringer Bruchteil davon bisher überprüft worden ist. In einigen Fällen gab das Militär bereits Alarm und musste dann Rückzieher machen. So zeigte General Vincent Brooks vom US-Zentralkommando vergangene Woche Bilder mit Laborflaschen, die angeblich den Giftstoff Tabun enthielten. Doch nach anfänglichen Spekulationen erklärte das Militär dann, es habe sich bei der untersuchten Einrichtung vermutlich um ein Trainingslager gehandelt, in dem irakische Soldaten lernen sollten, sich vor Giftgasangriffen zu schützen.
Auch was den Inhalt der bei Kerbala gefunden Tonnen betraf, schloss der zuständige General Benjamin Freakly nicht aus, dass es sich um harmlose Insektizide handeln könnte. Und die bei der Suche von Übelkeit befallenen Soldaten seien vermutlich nur erschöpft gewesen, fügte der General hinzu.
Nach Ansicht von Beobachtern wird die Arbeit der US-Suchtrupps durch den relativ hohen industriellen Entwicklungsstand des Iraks erschwert. So verfügt das Land über eine riesige petrochemische Industrie und zahlreiche pharmazeutische Labors, in denen ganz legale Forschung betrieben wurde. In jeder dieser vielen Anlagen könnten jedoch auch Chemie- und Biowaffen herstellt werden. Und so geht es den US-Truppen ähnlich wie den UN-Waffeninspekteuren, die das Land kurz vor Kriegsbeginn verlassen mussten - sie brauchen einfach mehr Zeit.
Der beste Weg, Sicherheit über das irakische Chemie- und Biowaffenarsenal zu erhalten, dürfte die Befragung der Wissenschaftler sein. «Irakische Wissenschaftler sind der Schlüssel zu vielen dieser Fragen», sagte der US-Experte Jonathan Tucker in der «Washington Post». Auch die Biowaffenspezialistin der «New York Times», Judith Miller, setzt auf die Wissenschaftler. Diese würden sich aber erst trauen, ihre Kenntnisse zu offenbaren, wenn das Regime endgültig besiegt sei und sie nicht mehr um ihr Leben fürchten müssten.
Angesichts des fehlenden Erfolge bei der Suche nach den Chemiewaffen beginnt die US-Regierung inzwischen, ihre Sprache zu ändern. So wird der Sturz des Saddam-Regimes inzwischen als Kriegsziel weit häufiger erwähnt als die Beseitigung der Chemiewaffenarsenale. Die Waffenexpertin Amy Smithson erklärte: «Die Regierung versucht vielleicht die Erwartungen zu dämpfen, weil sie Angst hat, dass nichts Bedeutendes gefunden wird.» dpa tm xx rb 081149 Apr 03