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Kongo Kongo: Slums neben dem Paradies

Von Markus Decker 27.07.2006, 18:23

Kinshasa/MZ. - Wer zu Freddy Othatshy will, muss über Müll und Staub. Autos gibt es im Slum nicht. Plötzlich steht Freddy in T-Shirt und kurzen Hosen da. Eine mannshohe Stahltür öffnet sich. Dahinter lebt ein Familienclan aus mehr als 25 Personen. Kinder schauen neugierig. Die Erwachsenen wirken apathisch. Freddy stellt uns in akzentfreiem Deutsch vor und berichtet. Wie sein Vater die Demokratische Republik Kongo 1975 aus politischen Gründen verließ, wie seine Mutter 1979 folgte und wie er 1981 in Deutschland geboren wurde - als Schwarzer in Ratingen, der nun die Heimat der Eltern besucht.

Niemand aus der Familie habe Arbeit, sagt Freddy. Nachts müssen sich vier Personen einen dunklen Raum von zehn Quadratmetern teilen. Fließendes Wasser - Fehlanzeige. Strom haben sie nur zeitweilig. Die Familie verfügt zwar über einen Generator. Der ist allerdings so laut, dass Passanten durch den Lärm aufmerksam werden, über die Mauer klettern und das Gerät stehlen könnten. Also schalten sie den Generator nicht so oft an. "Alles dreht sich darum, Essen zu besorgen und Krankheiten zu vermeiden", sagt Freddy. Wer krank wird, zahlt die Behandlung. Wer das Geld nicht hat, bleibt krank. So lebt die Mehrheit der 57 Millionen Einwohner; viele leben schlechter. Drei Millionen Menschen kamen im Bürgerkrieg um.

Am anderen Ende der Stadt wohnt Christa Göpfert aus der Nähe von Stuttgart. Ihr Mann ist Holzingenieur und ging 1956 nach Zentralafrika. Gemeinsam zogen sie 1962 in die Küstenstadt Point Noir, später nach Kinshasa. Dort betreibt Frau Göpfert eine Galerie mit Bildern kongolesischer Künstler. Das ein Hektar große Grundstück wird bewacht. Das Haus ist umgeben von tropischen Pflanzen, Pfauen, Fischen, Wellensittichen - und 20 Angestellten. Vier Kinder hat Christa Göpfert. Zwei Töchter leben in Deutschland, ein Sohn und eine Tochter sind in Kinshasa geblieben. Diese Tochter hat eine Ballettschule. "Es war immer gefährlich, vor allem, als die großen Plünderungen waren", sagt die Galeristin. "Da wurden auch wir attackiert." Doch nie wollte sie weggehen. "Meine Nachbarn sind Kongolesen - Geschäftsleute, Diplomaten, Angestellte. Die wohnen alle in diesem Niveau, weil sie dieses Niveau auch haben." Frau Göpfert ist Elite.

Freddys Umgebung hat dieses Niveau nicht. "Die Armut ist so groß, dass die Menschen sogar ihre Nachbarn bestehlen." Nach Einbruch der Dunkelheit verlasse niemand mehr das Haus. Polizisten sind die größte Gefahr. Weil sie keinen Lohn kriegen oder der Willkür frönen, knöpfen sie den Menschen ab, was sie am Leibe tragen.

Auch sein Clan bringt Freddy zur Verzweiflung. Mehrere tausend Dollar habe man den Verwandten zukommen lassen. Doch sie hätten die einfach "verprasst". "Es gibt keinen Zusammenhalt in der Familie. Es ist traurig." Zu den Wahlen hat der 24-jährige Mitinhaber einer Marketing-Agentur eine klare Haltung. Die Menschen bräuchten Wasser, Strom und Nahrung. Das bringe keiner der 33 Kandidaten.

"Das ist eine Demokratie, die hier installiert wird. Das ist hervorragend", sagt dagegen Frau Göpfert. Sie hat Präsident Joseph Kabila auf seiner Hochzeit die Hand gegeben. Er lässt bei ihr kaufen. "Als ich hier ankam, gab es keine Butter und keine Schokolade und kein Telefon", erinnert sie sich. "Aber das gibt's ja jetzt alles." Außer in den Slums.

Wenn die Kongolesen übermorgen das erste Mal nach 40 Jahren wählen gehen, werden weder Freddy Othatshy noch Christa Göpfert dabei sein. Sie darf als Deutsche nicht mitmachen. Er kehrt morgen heim nach Europa - erleichtert.