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Kommentar zur Wahl von Andrea Nahles Kommentar zur Wahl von Andrea Nahles: Die SPD stirbt in Ostdeutschland ab

Von Hartmut Augustin 22.04.2018, 15:33
Andrea Nahles ist neue Vorsitzende der SPD. 
Andrea Nahles ist neue Vorsitzende der SPD.  dpa

Halle (Saale) - Andrea Nahles führt ab sofort die deutsche Sozialdemokratie an.  Ihre Bewerbungsrede auf dem Sonderparteitag war entschlossen und kämpferisch, wie man sie eben kennt. Immer wieder blitzte ein bisschen Klassenkampf auf. Die Katholikin aus der Eifel stellte sich als Mädchen aus dem Volke dar, dem die heutige Karriere nicht in die Wiege gelegt worden ist. Zum Dank an die Familie begrüßte sie ihre Mutter im Saal: Die Parteichefin kann auch nett sein, wenn sie will. 

Erster Denkzettel für neue SPD-Chefin Andrea Nahles

Gegen ihre Kontrahentin Simone Lange aus Flensburg hatte die erfahrene Politikerin ein leichtes Spiel. Da kämpfte ein Verein aus der Provinz gegen eine Mannschaft aus der Champions League. So klar wie die Bewerbungsreden qualitativ unterschiedlich waren, so klar war das Ergebnis dann aber doch nicht. Zwei Drittel der Delegierten stimmten für Nahles, ein Drittel für die bundespolitisch unerfahrene Kandidatin Lange. Am Tag der Wahl war das der erste Denkzettel für die neue Parteichefin.

Nun sind hohe Wahlergebnisse bei der SPD kein Garant für dauerhaften Erfolg - Martin Schulz hatte als Parteivorsitzender einen Traumstart, der später seinen tiefen Absturz nicht verhindern konnte. Doch das Ergebnis der SPD-Chefin ohne Glanz und Glamour zeigt, dass etliche in der Partei mit ihr eben nicht die lang ersehnte Erneuerung der Partei verbinden.

Wegweisende Impulse für die Zukunft fehlten

Andrea Nahles steht für viele immer noch für die SPD-Spitze, die für Niederlage bei der Bundestagswahl verantwortlich ist. Und obwohl ihre Rede auf dem Sonderparteitag prägnanter, engagierter und besser strukturiert war als die der Kontrahentin, fehlten ihr wegweisende Impulse für die Zukunft.  

Andrea Nahles sprach nachdrücklich von der SPD als der „Partei der sozialen Gerechtigkeit“. Mit diesem Hauptthema war die SPD schon bei der  Bundestagswahl nicht erfolgreich. Nahles forderte nachdrücklich eine solidarische Marktwirtschaft und einen solidarischen Staat.  Ganz sicher ist das ein Thema, das der Partei nicht verloren gehen darf. Aber: Kann das allein eine Antwort auf die  Herausforderungen sein, vor der heute die Gesellschaft steht? Ganz sicher nicht. 

Die SPD stirbt im Osten ab

Im kommenden Jahr gibt es in Sachsen, Brandenburg und Thüringen Landtagswahlen. Für die SPD sieht es dort derzeit sehr mau aus. Die Partei schwächelt mächtig und wird es ganz schwer haben, wieder in die Landesregierungen zu kommen. Kein Wunder, denn in der Vergangenheit sah es so aus, als ob  die SPD-Führung  den Osten schon abgeschrieben hat.

Es gibt ganze Landstriche ohne Parteimitglieder und  Ortsvereine. Und wo die SPD nicht ist, haben sich inzwischen andere breitgemacht, die der Demokratie eher feindlich gegenüberstehen. Die Partei stirbt  jetzt im Osten - wo einst der Grundstein  für die deutsche Sozialdemokratie  gelegt wurde - ab.

Andrea Nahles hat den Osten Deutschlands  nicht genug im Blick

Inzwischen gibt es zwar etwas Kosmetik, denn die SPD hat jetzt auch  einen Ost-Beauftragten eingesetzt, Sachsens Landeschef Martin Dulig. Doch der Osten wird nach wie vor von der Parteiführung vernachlässigt. Selbst Andrea Nahles blieb in ihrer Rede in Wiesbaden auf die besonderen Herausforderungen im Osten eine Antwort schuldig. Es mangelt auch ihr immer noch an der nötigen Sensibilität für die Region.

Die SPD braucht endlich ein Aufbauprogramm Ost, wenn sie hier in den kommenden Jahren nicht komplett von der politischen Bühne verschwinden will. Doch dafür gibt es nach dem Parteitag und der Wahl keine Anzeichen.  

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Andrea Nahles ist neue Vorsitzende der SPD.
Andrea Nahles ist neue Vorsitzende der SPD.
dpa