Kommentar zur Türkei: Kommentar zur Türkei: Erdogan ist ein Diktator im Wartestand

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Diktator im Wartestand. Wohlmeinende – es gibt sie noch, auch außerhalb der Türkei – behaupten, ihm schwebe der Aufbau eines „Präsidialsystems“ vor, aber wer Erdogan beobachtet, wie er sämtliche Staatsgewalten in Trümmer legt, um sich selbst als einzige, unbeschränkte Staatsgewalt zu etablieren, der zweifelt nicht daran, Zeuge der Geburt eines Diktators zu sein.

In den vergangenen Jahren hat er die Unabhängigkeit der Rechtsprechung kompromisslos beseitigt und die Justiz mit willfährigen Vollstreckern besetzt. Er hat die Medien – die sogenannte vierte Gewalt – derart geknebelt, dass  es ihnen die Luft abschnürt, sobald sie ein freies Wort zu sprechen wagen.

Die Exekutive ist ihm ohnehin unterworfen, in der Berufung von Erdogans altem Weggefährten, genauer: seines bewährten Dieners  Binali Yildirim zum neuen Vorsitzenden der AKP und damit auch zum neuen Ministerpräsidenten findet das Herr-und-Knecht-Verhältnis seinen beschämenden Ausdruck. Jetzt hat  sich das Parlament, also die Legislative,  auf Erdogans Geheiß selbst kastriert: Nach der gestern beschlossenen Aufhebung der Immunität von Abgeordneten können die Staatsanwälte in Zukunft entscheiden, welcher Abgeordnete sein Mandat ausüben kann und welcher nicht. 

Erdogan bombardiert wieder die Kurden im eigenen Land, aber er hat auch der Demokratie und dem Rechtsstaat den Krieg erklärt. Die Art, wie er ihn führt, macht klar, wie er im Fall seines Sieges zu herrschen gedenkt.

Im Krieg gegen die Kurden geht Erdogan tatsächlich über Leichen, in seinem Kampf gegen die demokratische und rechtsstaatliche Kultur der Türkei –  ohnehin nur noch ein sehr zartes Pflänzchen – schreckt er vor keinem bürokratischen oder  legislativen Anschlag auf deren Institutionen zurück: ein Terrorist ohne Bombe. Die Geschwindigkeit, mit der Erdogan sich inzwischen auf sein Ziel einer Diktatur zubewegt und zugleich Verbindungen der Türkei zu Europa kappt, ist atemberaubend. „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe...“ – das ist das neue Glaubensbekenntnis in Erdogans Türkei, dem verdorbenen Rest der ehemals laizistischen Türkei.

Aber auch Diktatoren sollten bedenken, dass sie sterblich sind.