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Kommentar Hall of Fame Kommentar zur Hall of Fame: Überwiegt sportliche Leistung, muss Täve Schur aufgenommen werden

Von Andreas Montag 24.04.2017, 13:15
Der DDR-Radrennfahrer Gustav-Adolf Schur (M) bei der Radweltmeisterschaft der Straßenamateure am 13.08.1960 auf dem Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal.
Der DDR-Radrennfahrer Gustav-Adolf Schur (M) bei der Radweltmeisterschaft der Straßenamateure am 13.08.1960 auf dem Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Wer glaubt, dass Kultur und Sport außerhalb von Politik und gesellschaftlicher Debatte stattfinden, irrt. Und wer es nur vergessen hatte, wird jetzt durch den emotional geführten Streit um den ostdeutschen Radrennfahrer Gustav-Adolf Schur, den hierzulande alle nur Täve nennen, unweigerlich daran erinnert. Und das ist gut so. Man muss die Dinge beim Namen nennen und sie dann qualifizieren, um mit ihnen umgehen zu können.

Täve Schur in der Hall of Fame? Es kommt auf die Bewertung der Fakten an

Der Punkt, um den es geht, ist die Aufnahme Schurs in die Hall of Fame, die Ruhmeshalle des deutschen Sports. Die Täve-Fans sagen: Natürlich gehört er als Weltmeister und Friedensfahrt-Legende dort hinein, keine Frage! Die Täve-Gegner halten dagegen: Der Mann verklärt die DDR und ihr Sport-System, also hat er bei den Edlen und Guten nichts zu suchen.

Auch hier liegt die Wahrheit nicht im Auge des Betrachters, es kommt auf die Bewertung der Fakten an. Fakt Nummer eins: Schur ist in der DDR - und durch sie groß geworden, er hat subjektiv keinen Grund, diesen Staat nachträglich in Zweifel zu ziehen. Allerdings stünde es ihm gut zu Gesicht, ginge er unter Würdigung unleugbarer Tatsachen wie des skrupellosen Doping-Einsatzes differenzierter mit dem Thema um. Natürlich hat es Doping auch im Westen gegeben, dort ist es sogar länger vertuscht worden als im Osten, wo man nach der friedlichen Revolution von 1989 begann, an Runden Tischen reinen Tisch zu machen. Der große Drang zur Ehrlichkeit hat die westdeutschen Verbände damals nicht angesteckt, das Böse hatte ja seinen Platz gefunden. Und schlafende Hunde soll man bekanntlich nicht wecken. Das wäre der zweite, nicht unbeachtliche Fakt. Hier kann man Schurs Ärger verstehen, nicht aber seine unzeitgemäße Polemik, mit der er sich in Klassenkämpfermanier für seinen untergegangenen Staat in die Schanze wirft.

Überwiegt die sportliche Leistung, muss Täve aufgenommen werden

Der dritte Fakt ist das Alter Täves. Das entschuldigt nichts, erklärt aber einiges. Es gib Menschen, bei denen ein gewisser Starrsinn schon früher als mit 86 Jahren einsetzt. Denken wir nur an den Altkanzler Helmut Kohl, fast gleichaltrig mit Schur, der sich bis heute weigert, die Namen der Parteispender zu nennen, die die Kriegskasse der CDU zu füllen halfen. Dessen ungeachtet wird Kohl niemand seinen Platz in der Ruhmeshalle der deutschen Nachkriegspolitik streitig machen wollen.

Schließlich muss man auch daran erinnern, dass es zwar Unruhe, aber schließlich Einigkeit über den Fußballtrainer Sepp Herberger und seinen Platz in der Hall of Fame des Sports gab. 1954 hatte er mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft das „Wunder von Bern“ vollbracht, war zuvor allerdings seit 1933 Mitglied der NSDAP gewesen - und als Trainer ein Repräsentant des NS-Staates.

Es wären die Funktionäre wie das Publikum gut beraten, würden die Regeln, die für eine Aufnahme in die Ruhmeshalle gelten sollen, transparent und vergleichbar sein. Ist politisches Agieren, das heute als Fehlverhalten angesehen werden muss, ein Ausschlussgrund, dann für alle. Überwiegt die sportliche Leistung, muss Täve aufgenommen werden. (mz)

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]