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Kommentar zu Facebook Kommentar zu Facebook: Die Grenze zwischen Manipulation und Werbung verschwimmt

Von Frank-Thomas Wenzel 21.02.2018, 17:39
Geld verdient Facebook mit Werbung, die passgenau für jeden Nutzer ausgespielt wird.
Geld verdient Facebook mit Werbung, die passgenau für jeden Nutzer ausgespielt wird. dpa

Eigentlich ist das, was Rechtsextreme auf Facebook inszenieren, nichts Neues. Früher gab es Leserbriefkampagnen in der örtlichen Tageszeitung, die von interessierten Kreisen gesteuert wurden. Heute versuchen Radikale in sogenannten sozialen Netzwerken bei kontroversen Debatten die kommunikative Oberhand zu erlangen, indem sie massenweise Kommentare posten. Beides hat dasselbe Ziel: Es geht um den Versuch, gesellschaftliche Mehrheiten zu simulieren. Der große Unterschied: Die Reichweite und Wirksamkeit der rechtsextremen Kampagnen unterscheidet sich in einer Hochpotenz von den guten alten Leserbriefkampagnen.

Das hat mit dem Medium Facebook zu tun, weil es für Millionen von Nutzern auch in Deutschland das Fenster zur Welt geworden ist. Und dieses Werkzeug der Erschließung einer extrem verzerrten Wirklichkeit belohnt alles, was aggressiv, beleidigend, wütend und hasserfüllt daher kommt. Der Grund dafür ist simpel: Facebook will Datenverkehr erzeugen, und emotional aufgeladene Diskussionen steigern den Traffic. Da treffen sich die Interessen des Facebook-Managements und der Rechten, deren Standard-Kommunikationsmodus Wut und Hass sind.

Erst der Anfang

Was wir an Manipulativem im US-Wahlkampf gesehen haben und was wir jetzt an Hass-Kommentaren durch rechte Trolle hierzulande erleben, ist erst der Anfang, wenn die Politik weiter zuschaut. Das hat mit dem Geschäftsmodell von Facebook zu tun. Die wichtigste Ressource der weltgrößten Kommunikationsmaschine sind Daten. Mit deren Menge steigt der ökonomische Erfolg. Geld verdient Facebook mit Werbung. Genauer formuliert: Damit, dass die Werbung zielgenau zu den Nutzern gesteuert wird. Dafür werden deren Daten mit der besten Software analysiert, die zu haben ist. So wird dem Jogger, dessen Laufschuhe einigermaßen abgelatscht sind, schon heute Werbung für seine bevorzugte Laufschuhmarke gerade rechtzeitig zugespielt. Der Netzwerk-Konzern kassiert dafür vom Sportartikler: Die Nutzer sind nicht die Kunden, sondern das Produkt.

IT-Experten reden gerne davon, dass wir uns immer noch am Tag eins der digitalen Revolution befinden. Da ist was dran. Die einschlägigen Anglizismen von Big Data, Artificial Intelligence bis Predictive Analytics laufen auf eins hinaus: Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen von Konsumenten und Bürgern sollen nicht mehr nur analysiert, sondern vorhersagbar werden. Siehe das Beispiel von der Frau, die mit Windelwerbung traktiert wurde, bevor sie selbst wusste, dass sie schwanger war. Intelligente Algorithmen, die entdecken, was der Kunde will, sind Gold wert. Bis zum nächsten Schritt ist es nicht weit - nämlich dass ihm Bedürfnisse eingeredet werden, von denen er bis dahin noch gar nichts wusste. Die Grenze zwischen Manipulation und Werbung verschwimmt. Facebook ist die ideale Plattform für diese Formen der Intensivierung.

Gehirnwäsche gegen rationale Diskurse

Natürlich wirkt auch klassische Werbung suggestiv. Aber wenn man sie mit den Möglichkeiten avancierter digitaler Kommunikation vergleicht, muss auch hier mit Hochpotenzen kalkuliert werden. Datenschützer warnen immer inständiger, dass künstliche Intelligenz nicht nur Segensreiches bewirkt, sondern auch eine Entmündigung, eine Aufweichung der Selbstbestimmung forcieren kann. Das wird sich nicht auf Turnschuhe und andere Produkte der kommerziellen Welt beschränken. Man stelle sich vor, dass von rechtsradikalen Trollen demnächst Hass, Wut und Lügen feinjustiert auf die jeweiligen Stimmungen und Sehnsüchte von Nutzern millionenfach automatisiert gepostet werden. Das Fatale daran ist, dass die Empfänger mit dieser kaum spürbaren Form der Gehirnwäsche gegen rationale Diskurse immunisiert werden.

Wie reagiert die hiesige Politik drauf? Mit eigentümlicher Mutlosigkeit und Gleichgültigkeit. Im neuen Koalitionsvertrag werden an vielen Stellen die Chancen der schönen neuen digitalen Welt beschworen. Was fehlt, ist ein Programm, das Facebook und Co an die kurze Leine nimmt. Nur Transparenz und Aufklärung können helfen.

Doch Facebook wird nach wie vor erlaubt, dass die Zustimmung der Nutzer zur ungehemmten Ausbeutung ihrer Daten irgendwo im Kleinstgedruckten versteckt wird. Verbraucherschützer versuchen nun mühsam vor Gericht, Korrekturen durchzusetzen. Da ist dringend notwendig. Längst müsste selbstverständlich sein, dass jedem Nutzer von Facebook und Co im Klartext deutlich gemacht, auf welche Manipulationsmaschinerie sie sich einlassen. Die Politik in Deutschland und in der EU ist mit ihren Regelwerken in den vergangenen Jahren den Entwicklungen der IT-Welt und den Geschäftsmodellen der enorm mächtigen US-Hightech-Konzerne weit hinterher gehechelt. Der Rückstand muss aufgeholt werden. Denn die Mechanismen der politischer Willensbildung und politischem Handelns sind bereits ganz gefährlich ins Rutschen geraten. Ohne eine strenge Regulierung wird sich dies noch verstärken – mit derzeit nicht absehbaren Folgen.