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Kommentar zum Trump-Team Kommentar zu Donald Trumps "Alternative Fakten": Das ganze Repertoire von Populisten

Von Peter Seidel 23.01.2017, 12:16

NBC-Moderator Chuck Todd ist sichtlich irritiert. „Was Sie da sagen, sind keine alternativen Fakten. Das sind Unwahrheiten“, hält er Kellyanne Conway entgegen. Die bleibt im Interview der Sendung „Meet the press“ ungerührt und hält daran fest, dass bei der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump mehr Menschen in Washington dabei waren als jemals zuvor.

Das ist nachweislich falsch. Luftbilder von der Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama im Jahr 2009 und von dem Ereignis am vergangenen Freitag, geschossen praktisch zur gleichen Uhrzeit und aus der gleichen Perspektive auf die Mall in Richtung US-Kongress zeigen das genauso wie die Statistik der U-Bahn von Washington aus den beiden Jahren.

Und da Kellyanne Conway weiß, dass sie gegen diese Tatsachen mit ihren „alternativen Fakten“ eigentlich nicht ankommt, zieht sie im Interview alle rhetorisch-taktischen Register, um Todds Argumentation zu unterlaufen. Sie geht zum Gegenangriff über, indem sie Todd eine tatsächliche Falschmeldung der US-Medien vorhält. Sie versucht, das Thema zu wechseln. Und als das alles nichts nützt, greift sie zu ihrem letzten Mittel und stellt sich, Präsident Trump und dessen gesamte Mannschaft als Opfer einer übelmeinenden und Lügen verbreitenden Presse dar. Das ganze Repertoire von Populisten eben, die es gar nicht gut abkönnen, wenn ihnen jemand bei der Verbiegung der Realität, bei der Verbreitung von Falschmeldungen auf die Schliche kommt.

Neue Qualität der Lüge

Die neue Qualität, die da Conway und zuvor der Sprecher des US-Präsidenten, Sean Spicer, gegenüber dem „White House Press Corps“ an den Tag legten, ist das kalt-ungerührte Beharren auf offensichtlichen Unwahrheiten. Der Begriff „alternative facts“, den Conway benutzt, erinnert zudem erschreckend an den Roman „1984“ von George Orwell. Darin geht es um einen totalen Überwachungsstaat, in dem ein eigenes Ministerium, das „Wahrheitsministerium“ dafür sorgt, dass die Berichte über alles, was geschehen ist, beständig manipuliert werden: „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“

Einstweilen ist es in den USA kein totaler Überwachungsstaat, der die Wahrheit verbiegen will. Es sind willfährige Mitarbeiter eines in sich Selbst und seine eingebildete Größe verliebten US-Präsidenten. Doch angesichts der Tatsache, dass dieser Mann für die kommenden vier Jahre die Geschicke der mächtigsten Nation der Welt leiten soll, ist das nicht weniger verstörend.