Kommentar nach der Abstimmung im Parlament Kommentar nach der Abstimmung im Parlament: Ein deutscher Soli für Griechenland muss her
Berlin - Es war weit nach Mitternacht, als das griechische Parlament den Weg freimachte. Es billigte umfangreiche Sparmaßnahmen – im Gegenzug für jene Hilfen, die die Eurozone nun abermals gewährt. Damit ist auch der Weg für den Bundestag frei, der am Freitag über die Aufnahme von Verhandlungen abstimmt. Aber abgesehen davon, dass es in der griechischen Regierung ähnlich viele Abweichler gibt, wie es sie in der Berliner großen Koalition geben wird: Bemerkenswert ist vor allem, dass niemand an das Vereinbarte glaubt.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagt, das Paket sei seinem Land aufgenötigt worden. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wirbt unterdessen weiter für seine Idee eines zeitlich befristeten Grexit. Beide Seiten tun also etwas, dessen Sinn sie negieren. Dies ist angesichts der Summe, um die es geht, erstaunlich. Immerhin handelt es sich um 85 Milliarden Euro.
Ökonom fordert den Griechenland-Soli
Dass der Ökonom Clemens Fuest zur Finanzierung des Pakets die Anhebung des Solidaritätszuschlags fordert, ist nur konsequent. Zwar erwecken CDU, CSU und SPD gleichermaßen den Eindruck, als tangiere den deutschen Steuerzahler die Griechenland-Hilfe nicht. Aber das ist natürlich falsch. Die Idee eines Griechen-Soli erinnert im Übrigen daran, dass Ostdeutschland trotz bester Rahmenbedingungen und intensiver Wirtschaftsförderung auch im 25. Jahr der Einheit noch immer nicht allein lebensfähig ist. Die ostdeutsche Wirtschaftskraft beträgt lediglich zwei Drittel jener Westdeutschlands. Und die neuen Länder, die so neu nicht mehr sind, können bloß gut die Hälfte ihrer Ausgaben durch eigene Steuereinnahmen decken. Nötig sind immer neue Hilfspakete – auch wenn sie nicht mehr so heißen dürfen. Nebenbei bemerkt: Den Einigungsvertrag hat jemand ausgehandelt, der heute ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt: Wolfgang Schäuble.
Dass in Griechenland in den nächsten drei Jahren funktioniert, was in Ostdeutschland in 25 Jahren nicht funktioniert hat, ist unwahrscheinlich, ja unmöglich. Nicht zuletzt deshalb machen die Beteiligten allesamt einen derart unfrohen Eindruck, wenn sie widerwillig die Hand heben müssen.