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Kölner Proteste gegen "Kögida"-Kundgebung Kölner Proteste gegen "Kögida"-Kundgebung: Kögida bleibt in Deutz stecken

Von Claudia Hauser 05.01.2015, 18:25
Auch der Zentralrat der Ex-Muslime demonstriert mit.
Auch der Zentralrat der Ex-Muslime demonstriert mit. Michael Bause Lizenz

Köln - Gegen 19:45 Uhr sind die ersten Jubelrufe zu hören. Jetzt steht definitiv fest: Die Polizei hat den Demonstrationszug der Kögida abgesagt. Aus Sicherheitsgründen, so Karlo Kreitz, der Sprecher der Kölner Polizei. Das Gedränge der insgesamt rund 5000 Gegendemonstranten sei einfach zu groß – zu viele Menschen stehen auf der Deutzer Brücke und blockieren den geplanten Weg der laut Polizeiangaben bis zu 500 Anhänger der Initiative „Köln gegen die Islamisierung des Abendlandes“.

Die im Gedränge vor dem LVR-Turm stehenden Gegendemonstranten skandieren immer wieder „Wir sind keine Ölsardinen“. Hermann Rheindorf von der AG Arsch huh kritisiert anschließend die Polizei, weil sie die Absperrungen nicht weiter geöffnet habe. Er fragt: „Wie kann es sein, dass die Stadtgesellschaft eingepfercht wird? Jede Musikveranstaltung wären unter diesem Umständen abgebrochen worden.“

Ursprünglich wollten die Kögida-Anhänger über die Brücke hinüber zum Dom, nun löst sich ihre Kundgebung auf dem Ottoplatz auf. Die meisten Kögida-Anhänger ziehen in den Deutzer Bahnhof.

Nach Hause gehen möchte niemand

„Geschafft!“ – diese Erfolgsmeldung senden die Gegendemonstranten via Handy in die sozialen Netzwerke. Es war ihr ausdrückliches Ziel, den Kögida-Marsch in die Innenstadt zu verhindern. Nun ist man in Feierlaune. Vor der Deutzer Brücke spielt eine Kapelle. Nach Hause gehen möchte hier noch niemand.

„Das ist halt NRW- und Köln-typisch“, kommentiert Sebastian Nobile die große Zahl der Menschen, die seine Kundgebung zu einer „stationären Veranstaltung“ machen, wie er sagt. „Hier gibt es ein großes linkes Potenzial.“ Nobile zuckt mit den Achseln.

„Denkt an unsere Kinder“ ist auf einem Banner der abziehenden Kögida-Anhänger zu lesen. Eine 72-jährige Frau ist aus Niederaußem zur Bewegung gestoßen: Sie habe nichts gegen Ausländer, „aber gegen die Politik. Wir Deutsche müssen unseren ganzen Besitz abgeben, bis uns mal Hartz IV zusteht, und der Türke und der Italiener haben in ihrer Heimat ein Häuschen, kommen dann hierhin und kriegen sofort Hartz IV. Das kann doch nicht sein.“

57 Organisationen – das wohl breiteste Bündnis gegen Rassismus, das sich in der Stadt je formierte – hatten zur Anti-Kögida-Demonstration aufgerufen. Jörg Detjen von „Köln stellt sich quer“ verbindet das Engagement mit einer Forderung: „Kögida betreibt eine gezielte Volksverhetzung, das müssen die staatlichen Institutionen unterbinden.“

Schon eine Stunde vor der Gegenkundgebung ist Tommy Engel, Vertreter der AG „Arsch huh“ am LVR-Turm. „Die wissen, dass sie hier in Köln Gegenwind kriegen. Sie wollen uns aus der Reserve locken, aber wir werden zeigen, wofür wir stehen“, sagt er.

„Man muss denen auch mit Humor begegnen“

Der Platz vor dem LVR-Turm füllt sich dann rasch. Auf Transparenten und Plakaten ist zu lesen „I love Immigration“ und „Frigida“. Frigida steht für „Frustrierte Inländer gegen die Intoleranz der Alternativlosen“. Auch „Lindenstraßen“-Darsteller Claus Vinçon steht mit einem Pappschild in der Menge. „Und die Erde ist eine Scheibe“ steht darauf. „Man muss denen auch mit Humor begegnen“, findet er.

Arif Ünal, Landtagsabgeordnete der Grünen, kommentiert die geringe Zahl der Kögida-Anhänger: „Es ist erfreulich, dass es mehr Menschen in Köln gibt, die für Toleranz und Frieden auf die Straße gehen als Menschen, die Fremdenfeindlichkeit schüren.“ Ünal freut auch, dass auch türkische und islamische Vereine zu der Gegendemo aufgerufen haben und ausländische Mitbürger diesem Ruf gefolgt sind.

Kurz nach 18 Uhr versuchen 100 hundert schwarz Gekleidete aus dem linken Spektrum zur Kögida-Kundgebung durchzudringen. Doch die Polizei treibt die Gruppe mit Pfefferspray und Schlagstöcken rasch auseinander. Zu diesem Zeitpunkt zweifelt Polizeisprecher Karlo Kreitz bereits daran, dass es tatsächlich zu dem Demonstrationszug in die Innenstadt kommen könnte. Die Polizei befinde sich in einem schwierigen Abwägungsprozess: „Nicht angemeldete Blockaden sind Straftaten, und wir sind angehalten, Straftaten zu ahnden“, so Kreitz. „Dabei spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine große Rolle.“

Eindrucksvoll auch das Zeichen, das die Aktion „Licht aus für Rassisten“ setzt: In Absprache mit der Stadt und dem Domkapitel schaltet die Rheinenergie pünktlich zu Beginn der Kögida-Demonstration um 18.30 Uhr die Außenbeleuchtung des Doms ab. Auch die Illumination der Kölner Brücken und vieler historischer Gebäuden werden abgeschaltet; das RTL-Sendezentrum und die zum Tanzbrunnen gelegene Hälfte der Rheinhallen mit dem ehemaligen Messeturm bleiben dunkel sowie der Musical Dome, das Schokoladenmuseum, Maritim-Hotel und Handwerkskammer. Auch das IHK-Haupthaus ist stockfinster. IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer erklärt: „Aufgrund der vielen Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln, starker internationaler Beziehungen und eines weltoffenen Standorts legen wir Wert darauf, dass ein friedliches Miteinander gewährleistet ist.“

Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet glaubte schon vor der Kögida-Kundgebung nicht an deren Erfolg, weder in Köln noch in anderen NRW-Städten. „Darum muss man keinen so großen Hype machen.“

www.ksta.de/pegida