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Robert Habeck über Jamaika-Pläne in Schleswig-Holstein Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein: Robert Habeck von den Grünen wirbt für Jamaika

Von Markus Decker 25.05.2017, 18:42
Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck von den Grünen auf dem Landesparteitag im Mai: Die Grünen haben sich für eine Jamaika-Koalition ausgesprochen.
Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck von den Grünen auf dem Landesparteitag im Mai: Die Grünen haben sich für eine Jamaika-Koalition ausgesprochen. dpa

Berlin - Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) hält das Votum des grünen Landesparteitages für Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP für richtig.

Herr Habeck, 86,8 Prozent der Delegierten auf dem Parteitag in Neumünster haben für Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP gestimmt. Ist Jamaika damit geritzt?

Nein. Die Entscheidung war ein klares Signal, dass wir bereit sind, Verantwortung zu tragen, und uns nicht wegducken. Aber die Partei hat klar gemacht, dass sich das, wofür wir stehen und ja wiedergewählt wurden, in einem Koalitionsvertrag finden muss: Ökologische Modernisierung, Energiewende und Klimaschutz, Wahrung von Bürgerrechten, ein Land der Humanität und Offenheit. Und das eben im ganz Konkreten. Jetzt geht die Arbeit erst richtig los.

Wenn stimmt, dass ohne Jamaika nur noch Neuwahlen übrig blieben, dann wird die Basis am Ende doch gar keine andere Wahl haben, als den Jamaika-Koalitionsvertrag zu akzeptieren, oder?

Dass es gerade nur noch zwei Optionen gibt, ist der Ausschließerei der anderen Parteien zuzuschreiben. Aber gerade weil wir uns daran nicht beteiligen, gilt umso mehr: Es kann und wird kein Friss-Vogel-oder-stirb geben. Darüber müssen sich alle drei Parteien klar sein. Wir gehen selbstbewusst in die Verhandlungen, in dem Wissen, dass sie auch scheitern können.

Koalitionsverhandlungen über eine Ampel finden nicht statt, weil die FDP sie ausgeschlossen hat. Zugleich gibt es bei den Grünen Kritik am nordrhein-westfälischen Landesverband, weil der vor der Wahl Jamaika ausgeschlossen hat. Warum beugt sich Ihre Partei so bereitwillig der Ausschließeritis anderer, während Sie die Ausschließeritis in den eigenen Reihen beklagt?

Uns bereitwillig beugen? Es ist doch genau andersrum: Wir würden uns dann beugen, wenn wir uns brav bei den Ausschließern einreihen. Das ist aber nicht mein Verständnis von Demokratie und Stärke. Wir sind in Schleswig-Holstein seit Jahren eigenständig, und das hat uns im Land Respekt verschafft. Also nix mit Beugen, sondern aufrechter Gang.

Man wundert sich auch, dass Sie mit Wolfgang Kubicki von der FDP so gut können, obwohl er einst den Rechtskurs seines Freundes Jürgen Möllemann verteidigt und Sprüche gepflegt hat wie: „Ich finde charmante Frauen in der Politik besser als Suffragetten.“ Dabei ist Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig gerade erst über seinen Chauvinismus gestürzt. Ist Kubicki einer, der zur politischen Kultur der Grünen wirklich passt?

Wolfgang Kubicki und ich können miteinander, weil wir uns alle möglichen Schlachten geliefert haben und ich seinem politischen Dauerkampfmodus was abgewinnen kann. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier alle am Riemen reißen müssen. Eine Koalition kann auch an Beleidigungen und Chauvinismus scheitern, das gilt für alle Seiten - gerade nachdem die Küstenkoalition ja auf menschlicher Eben extrem fair und zugewandt war und mit Sicherheit auch deshalb fünf Jahren stabil gearbeitet hat. Das ist übrigens ein besonderes Verdienst von Torsten Albig.

Ihre Partei koaliert mit der CDU in Baden-Württemberg, in Hessen und in Sachsen-Anhalt. Jetzt machen Sie wahrscheinlich Jamaika in Schleswig-Holstein. Ist das das Ende der Grünen als Mitte-Links-Partei?

Im Gegenteil: Gerade in einem Bündnis mit CDU und FDP können wir uns in der Sozialpolitik nicht mehr hinter der SPD verstecken. Wir werden neue Antworten entwickeln müssen, die über das sozialpolitische Angebot der SPD hinausgehen.

Nach dem Sieg der Realos über die Fundis wirkt das alles jedenfalls wie der Sieg der bürgerlichen über die links-bürgerlichen Grünen und damit wie die letzte Häutung.

Dann hätte ich mich ja selbst besiegt. Aber ich habe es mit diesem Flügeldenken und mit dem „der eine siegt über den anderen“ nicht so. Bei uns in Schleswig-Holstein gibt es ohnehin keine Flügel. Doch wenn Sie meinen, die Grünen sind jetzt nur noch der bürgerliche Öko-Schlips von anderen bürgerlichen Parteien, dann kann ich selbstbewusst sagen: Nö. Gerade jetzt sind wir als ökologische und sozialliberale Partei gefragt, die einen breiten gesellschaftlichen Anspruch verkörpert.

Was raten Sie dezidiert linken Grünen? Die Partei wechseln?

Warum sollte ich das? Das klingt ja so, als würden wir jetzt das wahre grüne Ich verraten. Aber das teile ich, wie gesagt, null. Also: Alle können bei uns bleiben, wir nehmen auch gern noch mehr dazu.

Und was bedeutet das alles für den Bund? Da könnte die Wahl am 24. September ähnlich ausgehen wie jetzt bei Ihnen. Ist Kiel dann die Blaupause für Berlin?

Nein. Es gibt hier erstens viele Besonderheiten im Land. Und zweitens gilt auch für den Bund: Eigenständigkeit. Das haben Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt ja auch klar gemacht. Und Eigenständigkeit ist nicht Beliebigkeit, wie es ja gern heißt, sondern eine demokratische Grundeinstellung. Vielleicht haben die Wahlen hier das mal klar gemacht.

Kubicki geht im Herbst von Kiel nach Berlin. Gehen Sie auch?

Schon ab diesem Sommer fahre ich hoffentlich wieder regelmäßig dahin, jedenfalls wenn ich in einer neuen Landesregierung erneut Minister sein darf. Da hat man ja im Bundesrat einen Job zu machen.

Das Gespräch führte Markus Decker