Knappes Rennen Knappes Rennen: SPD versucht in Sachsen-Anhalt doppelte Revolution

Magdeburg - Am Ende geht es nur um sechs Stimmen, dennoch ist das Votum der Parteibasis eindeutig: Juliane Kleemann soll eine von zwei neuen Vorsitzenden der SPD in Sachsen-Anhalt werden. Hauchdünn ist der Vorsprung in der großen Mitgliederbefragung, die die Partei über Monate auf Trab gehalten hat. „Denkbar knapp“ nennt die frühere Pfarrerin das Ergebnis dann auch selbst - mit 745 zu 739 Stimmen schlägt sie ihre einzige weibliche Konkurrentin, Juso-Kandidatin Katharina Zacharias. Das zeigen die lange erwarteten Zahlen, die die Landespartei am Freitagabend in ihrer Zentrale in Magdeburg bekannt gibt. Immerhin muss Kleemann nun nicht mehr zittern - auf dem Männerposten der zukünftigen SPD-Doppelspitze ist hingegen noch nichts entschieden.
Zwar bekommt der Landtagsabgeordnete Andreas Schmidt deutlich mehr Stimmen (724) als die zwei Konkurrenten, trotzdem muss er in die Stichwahl gegen Jost Riecke (463 Stimmen), den einstigen Verbandsdirektor der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt. Aus dem Rennen ist Seluan Al-Chakmakchi (347 Stimmen).
Mit der Befragung versucht sich die SPD in Sachsen-Anhalt an einer doppelten Revolution: Nicht nur die Befragung der Basis über die künftigen Chefs ist neu, Sachsen-Anhalt führt auch als erster Landesverband die Doppelspitze ein. Bisher agierten alle Landesvorsitzenden seit 1990 allein - auch der nun scheidende Amtsträger Burkhard Lischka, der 2016 übernommen hatte.
Um die künftige Doppelspitze zu installieren, wurde bereits die Parteisatzung geändert - die Führung zu zweit soll eine permanente Lösung für die SPD im Land sein. Seit Ende Oktober hatten knapp 1 700 Sozialdemokraten über das neue Führungsduo in Sachsen-Anhalt abgestimmt, etwa die Hälfte aller Mitglieder im Land.
Für das neue Chef-Doppel, das im Januar 2020 offiziell vom Parteitag gewählt werden soll, hatten sich fünf Kandidaten beworben. Um sich an der Basis bekannt zu machen, tourten sie mit sechs Regionalkonferenzen quer durchs Bundesland. Ganz ähnlich lief es bis zuletzt auch bei der Kandidatensuche der Bundespartei.
Am Freitag spricht Noch-Landeschef Lischka von einem „fairen Wettbewerb“ - er sei sich sicher, dass auch die unterlegenen Kandidaten „weiter eine wichtige Rolle“ in der Partei spielen. Damit meint er etwa die 29-jährige Zacharias, die so knapp scheiterte. Sie sagt der MZ, sie sei dennoch „positiv überrascht“ von ihrem Ergebnis - sie ist erst seit zwei Jahren SPD-Mitglied. Die designierte Vorsitzende Kleemann, 49 Jahre alt, verspricht am Freitag sogleich, als Vorsitzende auch junge Mitglieder „abzuholen“.
Zudem wolle sie weiter mit der Basis im Gespräch bleiben. „Wir müssen eine sozialdemokratische Erzählung für dieses Land aufsetzen“ - die SPD mache Politik für „alle Menschen“. Sie ist seit 2014 Sozialdemokratin und Beisitzerin im Landesvorstand, kennt also die Fallstricke der Landespolitik. Den Mitgliedern hat sie sich als Motorradfahrerin und Hundebesitzerin vorgestellt. Sie ist Kreischefin in Stendal.
Für die Stichwahl des Männerpostens soll es nun erneut eine Befragungsrunde der Mitglieder geben, das Ergebnis soll im Januar feststehen. Als Favorit gilt unverändert der Hallenser Andreas Schmidt. Der Landtagsabgeordnete ist einflussreich, seit 2011 Chef des mächtigen Parteirats.
Das Gremium ist mit Mitgliedern der Basis besetzt, berät den Vorstand in Grundsatzfragen. Als Finanzexperte der Landtagsfraktion zieht der Historiker außerdem wichtige Strippen in der Arbeit der schwarz-rot-grünen Koalition. Ein Parteitag im Januar soll das designierte Duo dann offiziell wählen. Rechtlich bindend ist die Mitgliederbefragung nicht. (mz)