Klimaschutz Klimaschutzgipfel 2016: "Bundesregierung stellt Energiewende auf das Abstellgleis"

Berlin - Der Streit in der Bundesregierung über die künftige Klimaschutz-Strategie geht weiter – allerdings soll jetzt bis zum Wochenende eine Lösung her. Das machten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Umwelt-Ressortchefin Barbara Hendricks (beide SPD) am Mittwoch deutlich.
Gabriel hatte am Vorabend mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über den „Klimaschutzplan 2050“ beraten, dies blieb jedoch ohne Ergebnis. Dem Vernehmen nach gibt es nach wie vor Dissens darüber, wie sich die Regierung in dem Dokument zur klimaschädlichen Kohleverstromung positionieren soll.
Wie senkt Deutschland den Treibhausgas-Ausstoß?
Die Zeit drängt, denn Umweltministerin Hendricks will in der kommenden Woche an der derzeit laufenden Weltklima-Konferenz im marokkanischen Marrakesch teilnehmen. Dort möchte sie darlegen, wie Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts seinen Treibhausgas-Ausstoß zu senken gedenkt.
Eigentlich sollte das Bundeskabinett den Klimaschutzplan in seiner Sitzung am Mittwoch billigen, das Thema wurde dann kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Wenn bis zum Wochenende eine politische Einigung steht, könnte die Regierung sie beim nächsten Ministertreffen in einer Woche billigen. Hendricks stünde dann bei ihrem Auftritt in Marrakesch nicht mit leeren Händen da.
Detailfragen beim Klimaschutz sind noch zu klären
Gabriel ließ am Mittwoch der Darstellung widersprechen, er habe bei dem Treffen mit Merkel eine Einigung torpediert. Ein Sprecher sagte, der Minister habe sich gemeinsam mit der Kanzlerin und den Chefs der Koalitionsfraktionen darauf verständigt, „dass Detailfragen beim Klimaschutz noch zu klären sind“.
In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe machte sich Gabriel aber zugleich dafür stark, möglichst noch lange an der Braunkohleförderung und der Stromerzeugung aus Kohle festzuhalten. Er ging damit auf Distanz zu Umweltministerin Hendricks, die dafür kämpft, schnell einen sozialverträglichen Ausstiegsprozess einzuleiten.
Noch 20.000 Arbeitnehmer in der Braunkohle-Industrie
Gabriel sagte nun, bevor es überhaupt zu einer Verringerung der Kohleverstromung kommen könne, müsse es in den betroffenen Regionen Perspektiven für Ersatz-Arbeitsplätze geben. Mit ihm werde es auch keine Kommission für den Kohleausstieg geben. „Erst müssen realistische Ideen und auch das Geld auf den Tisch, wie wir vor Ort Arbeit, Einkommen und Wohlstand sichern.“
Gabriel will es sich vor der Bundestagswahl nicht mit der Stromwirtschaft und der mächtigen Energiegewerkschaft IG BCE verderben. In der deutschen Braunkohle arbeiten noch rund 20.000 Menschen, die meisten davon im Rheinischen und im Lausitzer Revier. Auch die SPD-geführten Landesregierungen in Düsseldorf und Potsdam machen sich für die Kohleverstromung stark.
Keine großen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz zu erwarten
Umweltministerin Hendricks wollte mit dem Klimaschutzplan ursprünglich einen Fahrplan für den klimaneutralen Umbau der deutschen Volkswirtschaft vorlegen. Im Frühjahr präsentierte sie einen ersten Textentwurf, der dann nach und nach von Wirtschaftsministerium, Kanzleramt, Verkehrsministerium und Agrarressort verwässert wurde. Der Wirtschaftsflügel der Union meldete sich ebenfalls vehement zu Wort und verlangte Änderungen. Auch wenn der politische Streit in den kommenden Tagen beigelegt werden sollte, sind vor der nächsten Bundestagswahl keine größeren Kraftanstrengungen in Sachen Klimaschutz mehr zu erwarten.
Die Bundesregierung hatte im Rahmen des Pariser Klimaabkommens vom vergangenen Dezember bekräftigt, dass sie bis 2050 den deutschen Treibhausgas-Ausstoß um bis zu 95 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken will. Bis 2020 soll die Reduktion 40 Prozent betragen. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass bereits dieses erste Etappenziel deutlich verfehlt wird.
Klimaschutzgipfel in Marrakesch
Im marokkanischen Marrakesch berät die Staatengemeinschaft seit Anfang der Woche darüber, wie sich das Pariser Abkommen in die Praxis umsetzen lässt. In der kommenden Woche wollen sich auch die zuständigen Minister in die Verhandlungen einschalten. In Paris hatten fast 200 Staaten vor einem Jahr das Ziel ausgegeben, die Erwärmung der Erd-Atmosphäre auf deutlich weniger als zwei Grad zu begrenzen.
Die Opposition im Bundestag kritisierte das Verhalten der Koalition am Mittwoch scharf: „Wer sich dem Kohleausstieg verweigert, der hätte das Pariser Klimaabkommen nicht unterzeichnen dürfen. Mit der erneuten Blockade des Klimaschutzplans schiebt die Bundesregierung die Energiewende endgültig auf das Abstellgleis“, erklärten die beiden Grünen-Umweltpolitikerinnen Annalena Baerbock und Bärbel Höhn.