Kinderlose Kinderlose: Last auf allen Schultern
Berlin/MZ. - Eine gesonderte Abgabe für Kinderlose ließe sich rechtfertigen, wenn diese bisher nicht ausreichend zur Finanzierung der Sozialsysteme oder zur notwendigen Infrastruktur für kommende Generationen beitrügen. Für eine solche Annahme gibt es zwar einzelne Indizien. Ebenso aber existieren Fakten, die in eine andere Richtung weisen. Ohne Frage werden insbesondere die Renten- und die Pflegeversicherung durch den Kindermangel in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten erheblich belastet. Unbestritten ist auch, dass Kinder Geld kosten. Mit zahlreichem Nachwuchs gesegnete Familien tragen statistisch ein höheres Armutsrisiko als Singles und kinderlose Paare. Bis zum 18. Geburtstag kostet das großwerden eines Kindes durchschnittlich etwa 120 000 Euro.
Andererseits tragen Kinderlose mit überdurchschnittlichen Einkommen, Steuer- und Sozialabgaben erheblich zur Finanzierung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie von Sozialleistungen wie dem Kinder- und dem Elterngeld bei. Eine "Aufrechnung" - wer zahlt was für Kinder - hängt mithin von derart vielen Faktoren ab, dass generelle Aussagen kaum sinnvoll sind. Zudem verzichten Menschen nicht immer aus freien Stücken auf Kinder, oftmals sind medizinische Gründe maßgeblich. Gerecht oder angemessen wäre eine gleichsam "strafende" Zusatzabgabe für diesen Personenkreis gewiss nicht.
Allein die kommunalen Aufwendungen speziell für Kinder sind von Fall zu Fall höchst unterschiedlich: Die Finanzierung von Spielstraßen, Sport- und Spielplätzen, von Jugendzentren, kostenlosen oder bezuschussten Freizeitangeboten, vom Personal in Kitas und Krippen weichen von Gemeinde zu Gemeinde, von Bundesland zu Bundesland voneinander ab. Sie werden - wiederum zu unterschiedlichen Anteilen - aus Steuern bezahlt, mithin auch von Kinderlosen mit getragen. Gleiches gilt für Schulen und Ganztagsschulen, deren Ausbau der Bund mit vier Milliarden Euro unterstützt, sowie für Universitäten. Kinderlose finanzieren all diese Einrichtungen durch ihre Steuern in erheblichem Umfang mit, zumal sie ihre Steuerlast nicht durch Kinderfreibeträge mindern können. Aus dem Steuertopf stammen zudem rund 39 Milliarden Euro für das Kindergeld, weitere knapp fünf Milliarden Euro, die 2011 für das Kindergeld ausgegeben wurden, sowie elf Milliarden Euro an Steuerzuschüssen für die Rentenversicherung, mit denen Kindererziehungszeiten für die Renten angerechnet werden.
Es ist mithin keinesfalls so, dass die Rentenkasse nicht von Zahlungen auch Kinderloser profitieren würde. Dies gilt auch die gesetzliche Krankenversicherung, in der Kinder beitragsfrei - und somit auch auf Kosten Kinderloser - mitversichert sind. Auf der anderen Seite bilden die Pflege- und Rentenversicherung gerechtigkeitspolitische Schwachstellen . Denn Renten Kinderloser werden fast vollständig aus Beiträgen und Steuerzuschüssen nachfolgender Jahrgänge finanziert, deren Aufzucht Mütter und Väter zudem überproportional belastet. Zu Steuern und Abgaben, die berufstätige Eltern zahlen, treten weitere Ausgaben für den Kinderlebensunterhalt von durchschnittlich knapp 600 Euro monatlich (von denen das Kindergeld freilich wieder abzuziehen wäre.).
Augenfällig wird die Leistung von Kindern auch in der Pflegeversicherung: Zwei Drittel der knapp 2,4 Millionen anerkannten Pflegebedürftigen in Deutschland wird zu Hause von Verwandten gepflegt, in den allermeisten Fällen von (Schwieger-)Töchtern. Dafür gibt es ein Pflegegeld zwischen 235 und 700 Euro pro Monat. Für die Versorgung in Heimen würde die Pflegeversicherung mehr als das Doppelte zahlen müssen. Folglich würde der Pflegebetragssatz von derzeit 1,95 Prozent ( 2,2 Prozent für Kinderlose) rapide steigen.
Vielleicht aber ist es nicht einmal in erster Linie die Verteilung finanzieller Lasten, die Kinder auf der einen Seite verursachen, die auf der anderen Seite aber von Kindern geschultert werden müssen. Wichtiger als der Streit um Prozente, Euro und Cent mag die Einsicht sein, dass Lebendigkeit und Zukunft einer Gesellschaft von möglichst zahlreichem gesundem Nachwuchs abhängen.