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Kinderhandel in Afrika Kinderhandel in Afrika: Ein Fahrradwunsch führt in die Sklaverei

17.09.2003, 05:52
Kinder in einer Grundschule in der Nähe von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, die auf ihr Essen warten. Sie erhalten mit Hilfe von UNICEF zumindest ein Mal täglich etwas zu essen (UNICEF-Foto im Juli 2002). Allein in Simbabwe sind mehr als 600 000 Kinder auf Nahrungsmittelhilfe durch UNICEF angewiesen. (Foto: dpa)
Kinder in einer Grundschule in der Nähe von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, die auf ihr Essen warten. Sie erhalten mit Hilfe von UNICEF zumindest ein Mal täglich etwas zu essen (UNICEF-Foto im Juli 2002). Allein in Simbabwe sind mehr als 600 000 Kinder auf Nahrungsmittelhilfe durch UNICEF angewiesen. (Foto: dpa) UNICEF

Nairobi/dpa. - Der Wunsch nach einem Fahrrad stand am Beginn der Reise. Der 13 Jahre alte Selom hatte seine Eltern verloren und lebte zusammen mit seinen Geschwistern in einem Dorf in Togo. Für die Schule war nicht genügend Geld da. Eines Tages fragte ihn ein Mann, ob er mit nach Nigeria kommen wollte, um dort in einem Geschäft zu arbeiten. Er sollte ein Fahrrad bekommen und könnte nebenbei noch zur Schule gehen. Selom ahnte nicht, dass er es mit einem professionellen Kinderhändler zu tun hatte. In Nigeria angekommen, musste er von morgens um fünf bis abends um sechs auf einer Farm arbeiten.

   «Kinderhandel ist ein riesiges Problem in Afrika», sagt Charles Kwenji von der Internationalen Organisation für Migration in Nairobi. Vor allem im Westen des Kontinents gebe es geradezu Handelsrouten, die meist von den ärmeren in reichere Länder führten. Kurz vor dem Weltkindertag am 20. September schätzt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF die Zahl der betroffenen Kinder auf etwa 200 000 im Jahr.

   «Der Hauptgrund für Kinderhandel ist die Armut», sagt Kwenji. Häufig sei den Eltern nicht bewusst, was ihren Kindern in der Fremde passiert. Die meisten Kinder werden mit großzügigen Versprechungen gelockt. Was für Selom das Fahrrad war, sind für andere die Aussicht auf Schulbildung oder auf einen guten Job. «Menschen, denen es schlecht geht, sind leicht zu verführen», sagt Kwenji.

   Jungen werden häufig auf Baumwoll- oder Kakaoplantagen eingesetzt. Wenn sie überhaupt bezahlt werden, dann häufig deutlich schlechter als erwachsene Arbeiter, heißt es in einem Bericht von Human Rights Watch. Sie schlafen in Sammelunterkünften und werden oft körperlich misshandelt. Selom berichtet darin, dass er auf der Farm mit einer Machete arbeiten sollte und sich damit seine Hand verletzt habe. Sein Chef warf ihm vor, er wolle sich damit vor der Arbeit drücken.

   Mädchen hingegen arbeiten oft bei reicheren Familien im Haushalt. Viele enden als Prostituierte. Ein Viertel in der togoischen Hauptstadt Lomé heißt «Markt der kleinen Vagina». «Manche Mädchen werden doppelte Aids-Opfer», meint Jonathan Cohen, der den Bericht für die Menschenrechtsorganisation verfasst hat. «Erst sterben ihre Eltern an der Krankheit, dann geraten die Mädchen an Kinderhändler und werden am Ende selbst angesteckt.»

   Kinderhandel gilt völkerrechtlich als eine Form von Sklaverei und eine der schlimmsten Formen von Kinderarbeit. Die gesetzliche Basis, um gegen Kinderhändler vorzugehen, ist jedoch häufig recht schmal. Selbst wenn es entsprechende Rechtsvorschriften gibt, scheitert es häufig an der Umsetzung. Togo hat nach dem jüngsten Bericht des US- Außenministeriums über Menschenhandel in einem Jahr etwa 50 mutmaßliche Täter strafrechtlich verfolgt. Wie viele von ihnen tatsächlich verurteilt wurden, ist nicht bekannt.

   Der Junge aus Togo, der von einem Fahrrad träumte, hat es schließlich auch bekommen - allerdings unter widrigen Umständen. Nach elf Monaten Zwangsarbeit in Nigeria gab ihm sein Chef ein Fahrrad und sagte ihm, er solle damit nach Hause fahren. Vier Tage war er unterwegs. Die wenigen Dollar, die er bekommen hatte, nahmen ihm unterwegs Soldaten ab.