Katalonien Katalonien: Regionalpräsident Torra fordert Ende der Zwangsverwaltung durch Spanien

Berlin - Der neue katalanische Regionalpräsident Quim Torra hat sich am Dienstag in Berlin mit seinem Vorgänger Carles Puigdemont getroffen und der spanischen Zentralregierung in einer anschließenden Pressekonferenz Gespräche angeboten. Die Unabhängigkeit sei nicht Voraussetzung der Gespräche, sondern deren Ziel, sagte Torra, der erst am Vortag gewählt worden war.
Er forderte insbesondere, die Zwangsverwaltung durch die spanische Zentralregierung in Madrid zu beenden. So habe die katalanische Regionalregierung kaum Kontrolle über die Finanzen. Vielmehr verfüge die Zentralregierung über 95 Prozent der Steuereinnahmen; dabei könne es nicht bleiben, so der Politiker. Er wiederholte im Übrigen, was er bereits am Vortag im Parlament von Barcelona gesagt hatte: Puigdemont sei der rechtmäßige Präsident von Katalonien und müsse früher oder später wieder an der Spitze der Region stehen. Er selbst sehe sich als „Interimspräsident“.
Puigdemont: Europäischer Konflikt
Puigdemont erklärte, er hoffe, dass der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy das Angebot zu Gesprächen annehme. Außerdem betonte er, dass es sich bei dem Konflikt nicht allein um eine spanische, sondern eine europäische Angelegenheit handele. „Der einzige Weg, eine Lösung zu finden, ist, den anderen zu akzeptieren“, sagte der Separatist. Er äußerte sich damit ähnlich moderat wie bei seiner Pressekonferenz Anfang April. „Der Ball liegt im spanischen Feld“, so Puigdemont weiter. Die Zeit dränge.
Puigdemont war im März auf der Durchreise von Skandinavien nach Brüssel in Schleswig-Holstein festgenommen worden; im Brüsseler Exil hatte er sich der Strafverfolgung durch die spanischen Behörden entzogen. Grundlage der Verhaftung war ein europäischer Haftbefehl. Das Oberlandesgericht Schleswig kam dann zu dem Schluss, dass der Vorwurf der Rebellion, der gegen Puigdemont erhoben wurde, nicht gerechtfertigt sei und ließ ihn auf Kaution frei. Der zweite Vorwurf, nämlich jener der Untreue, wird weiter geprüft. So lange muss Puigdemont in Deutschland bleiben. Er wurde am Dienstag von einem Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein in Berlin vernommen. Wann eine Entscheidung fällt, ist unklar.
Torra hatte in seiner Rede im katalanischen Parlament den Plan der katalanischen Separatisten, einen eigenen Staat, eine Republik zu erschaffen, verteidigt. Wie er das konkret erreichen will, führte er nicht aus, sagte allerdings: „Wenn Ministerpräsident Rajoy mich heute in seinen Regierungssitz einladen würde, ich würde zusagen.“ Gleichzeitig räumte Torra ein, dass die Separatisten auch Fehler gemacht hätten. Man müsse die Schritte der vergangenen Monate kritisch überprüfen. Zuvor waren die Separatisten lange Zeit äußerst kompromisslos aufgetreten; die Zentralregierung hatte ebenso kompromisslos und mit Mitteln der Strafverfolgung reagiert.
Der 55-jährige Anwalt und Schriftsteller Torra ist unbelastet von den Justizproblemen vieler anderer katalanischer Politiker. Er gilt jedoch als ebenso überzeugter Unabhängigkeitsbefürworter wie Puigdemont, von dem er vorgeschlagen wurde.