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Käse beschäftigt die EU

Von DETLEF DREWES 16.06.2010, 19:27

BRÜSSEL/MZ. - "Wenn Imitate verwendet werden", sagte die CSU-Fachfrau für den Verbraucherschutz, Anja Weisgerber, "dann muss das auch draufstehen." Wem zusammengeklebter Schinken oder Eis ohne Milch angeboten wird, soll das also künftig erfahren.

Die sogenannte Ampel ist allerdings vom Tisch. Eine klare Mehrheit lehnte die von Medizinern und Verbraucherschützern geforderte Markierung aller fest verpackten Nahrungsmittel ab - zunächst. Denn der Beschluss der Straßburger Volksvertretung muss noch von den Ministern der 27 Mitgliedstaaten gebilligt und dann noch einmal eine Mehrheit im Parlament finden. Die Meinungen über Rot, Gelb und Grün gehen allerdings weiter auseinander. "Ein Rotsignal wird vom Verbraucher als Stopp-Zeichen bewertet", sagt die Berichterstatterin des Plenums Renate Sommer (CDU), "obwohl es lediglich der Hinweis darauf sein soll, nicht zu viel von einem Produkt zu essen." Tatsächlich würde die Ampel zu jeder Menge Missverständnissen führen. "Wer von einem mit dem grünen Punkt gekennzeichneten Produkt zu viel isst, liegt im roten Bereich", heißt es in einem Hintergrundpapier.

Vor allem die Sozialdemokraten bedauerten die Ablehnung. "Es wurde eine große Chance vertan, einen wirklichen Fortschritt bei der Lebensmittelkennzeichnung zu erreichen", sagte die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt.

Der Kunde wird sich dennoch künftig durch eine Vielzahl von genaueren Angaben kämpfen dürfen, die erstmals verpflichtend und auch noch EU-weit harmonisiert werden. Alles, was verpackt ist, muss kleine Signets mit den Angaben zu Kalorien, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker, Salz, Eiweiß, Kohlenhydraten und Ballaststoffen enthalten - und zwar pro 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter. Außerdem kann der prozentuale Anteil am täglichen Bedarf aufgeführt werden. Diese Nennung bezieht sich - wie bei allen Angaben in der Lebensmittelbranche üblich - auf den Tagesbedarf einer 40-jährigen Frau. Weiterhin umstritten sind vor allem die so genannten Nährwertprofile, jene Mini-Steckbriefe, die die EU-Gremien allen Lebensmitteln verordnen wollten. Sie sollen eigentlich den Verbraucher vor irreführenden Werbeaussagen wie "Stärkt die Abwehrkräfte" schützen. Die damit verbunden Grenzwerte aber hatten zu einem heftigen Streit um das deutsche Brot geführt. Dessen Salzgehalt von 1,5 Prozent pro 100 Gramm liegt nämlich deutlich über der Menge, die die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit in Parma für gesundheitsfördernd hält. Es wäre "undenkbar", hieß es am Mittwoch, wenn traditionelle Grundnahrungsmittel auf diese Weise völlig verzerrt bewertet würden.

Das Parlament hat nun eine generelle Ausnahme für Grundnahrungsmittel knapp abgelehnt, verfolgt aber weiter die Linie der Kommission. Und die ist unmissverständlich: keine Grenzwerte für Brot. Nun müssen die zuständigen EU-Gesundheitsminister und die Abgeordneten in der Zweiten Lesung des Pakets diese Linie nur noch festzurren. Kommentar