Nachruf auf Jutta Limbach Jutta Limbach ist gestorben: Eine Kämpferin, so heiter wie verbissen

Berlin - Die Stimme ist rau geworden und etwas brüchig. Aber die Gedanken sind klar. Ihre Antworten kurz und präzise. Jutta Limbach ist schon von einer Krebserkrankung geschwächt, als sie ihr letztes Buch vollendet. Eins, das ihr besonders am Herzen lag. Keine juristische Abhandlung. Ihre wichtigsten Gedanken zum Fach, das ihr Berufsleben prägte, stecken ohnehin in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Acht Jahre stand sie ihm vor. Als erste Frau an der Spitze der höchsten juristischen Instanz der Republik.
Nein, ihre letzten Jahre hat Limbach einer Frau gewidmet, ohne die sie nicht geworden wäre, was sie war und wie sie es war – obwohl die beiden einander nie begegnet sind. Dennoch war Pauline Staegemann präsent in ihrem Leben. Im Erzählungsschatz ihrer Familie, die über Generationen in dem verwurzelt war, was man einmal Arbeiterbewegung nannte. Staegemann war eine streitbare Gewerkschafterin und Feministin, auch wenn es das Wort zu ihrer Zeit noch nicht gab.
Ihre eigene Laufbahn sei ein „Stein auf dem Weg, den die Urgroßmutter gelegt hat“, berichtete Jutta Limbach vor einem Monat in ihrem letzten Interview in Radio Bremen. Titel des schmalen Bandes: „Wahre Hyänen.“
„Meine Kinder könnten sich totlachen“
Kämpferisches, bisweilen verbissenes Engagement, hat die kleine Frau aus Berlin stets ausgezeichnet, obwohl sie meist so freundlich wirkte. Und mütterlich. So hieß es allenthalben, als die angesehene Jura-Professorin 1989 Berliner Justizsenatorin wurde – in Walter Mompers berühmtem rot-grünen Senat, dem mehr Frauen als Männer angehörten. „Meine Kinder könnten sich totlachen über dieses Etikett“, sagte sie einmal.
Auf den meisten Bildern aus dieser Zeit lächelt Jutta Limbach. „Ich bin eine heitere Frau“, sagt sie von sich, „aber Zorn ist mir nicht fremd“ - über die Ungerechtigkeit der Welt, über Benachteiligungen die Frauen immer noch zu gegenwärtigen haben und auch, wenn es nicht so ging, wie sie wollte.
Lange nach dem Ende ihrer Karriere, die sie auch an die Spitze des Goethe-Instituts führte, hat sie einmal einen kompletten Vortrag über diese positive Energie gehalten: „Bei mir sind Zorn und Willensstärke eins“, resümierte sie ihren Charakter. Unter ihrer Verantwortung begann nach der Wiedervereinigung die juristische Auseinandersetzung mit der Herrschaft der SED. Ein höchst kontroverses Thema, das im Ostteil der Stadt nicht nur auf Zustimmung stieß.
An wegweisenden Entscheidungen beteiligt
Als Vorsitzende des Zweiten Senats im Karlsruhe war Jutta Limbach danach an wegweisenden Entscheidungen beteiligt, die in der politischen Welt ebenfalls einigen Zorn oder besser: ohnmächtige Wut ausgelöst haben. So enttäuschte sie die politische Linke mit dem Urteil, dass deutsche Soldaten sehr wohl außerhalb des Bündnisgebiets der Nato eingesetzt werden dürfen, wenn denn der Bundestag seine Zustimmung gegeben hat. Eine bis heute grundlegende Wegweisung für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.
Auf der anderen Seite tobten die Konservativen, der Erste Senat des Gerichts befand, es gehöre zur Meinungsfreiheit, Kurt Tucholskys berühmten Satz zu zitieren: „Soldaten sind Mörder.“ Auch die Entscheidung, Kruzifixe seien in Klassenzimmern abzuhängen, wenn das gewünscht werde, erregte besonders in Bayern helle Aufregung. Das war nicht ihr Senat, aber ihr Gericht. So war eine Instanz, die Streit schlichten sollte, selbst zu einer umstrittenen Einichtung geworden.
Auch ein ungewöhnliches Privatleben
Das brachte die Präsidentin auf die Idee zu einer grundlegenden Neuerung: Die ehrwürdige Karlsruher Institution bekam, was anderswo längst gang und gäbe war: Eine Pressestelle. Sie holte ihre Berliner Senatssprecherin, die in den folgenden Jahren mit Geduld und Sachverstand die Entscheidungen des Gerichts erläuterte.
Jutta Limbach hatte nicht nur eine außergewöhnliche Karriere. Sie führte auch ein ungewöhnliches Leben. Rund 50 Jahre war sie mit ihrem Mann Peter zusammen. Sie bekam drei Kinder, die von ihm aufgezogen wurden. In Bonn, wo er Beamter im Innenministerium war. Sie lebte und arbeitete in Berlin. Oder in Karlsruhe. Eine „ambulante Ehe“ hat sie diese Beziehung genannt, mit der sie beide glücklich waren. Am 10. September ist Jutta Limbach in Berlin ihrem Krebsleiden erlegen.