Justiz Justiz: Verdreckte Zellen

Berlin/Wiesbaden/dapd. - Ein Haftraum in ekelerregendem Zustand,zwei Mann auf 8,3 Quadratmetern und kein Platz für einen seelischkranken Gefangenen in der Psychiatrie: Der Bericht der NationalenStelle zur Verhütung von Folter sieht keine Anzeichen für illegaleGewaltanwendung. Dafür aber listen die Inspekteure zahlreiche Mängelin deutschen Hafteinrichtungen auf - zum Teil sind die Fällehaarsträubend.
«Die Nationale Stelle ist auf keine Anzeichen von Foltergestoßen. Allerdings hat sie in mehreren Fällen Missständefestgestellt, die nicht akzeptiert werden können», lautet das Fazitdes Berichts, der am Dienstag in Wiesbaden veröffentlicht wurde. DieExperten prüften Gewahrsamseinrichtungen in ganz Deutschland beiPolizei, Zoll, Bundeswehr und Justiz. Die Nationale Stelle ist eineunabhängige Einrichtung, die auf Initiative der Vereinten Nationenseit 2008 arbeitet und in eine Bundesstelle sowie eineLänderkommission gegliedert ist. Ihr Bericht geht an die jeweiligenRegierungen und Parlamente in Bund und Ländern.
Ein gravierender Fall, der darin Erwähnung findet, istoffenkundig die Jugendstrafanstalt Berlin. Dort betraten dieInspekteure einen Haftraum, der sich in einem «unhygienischen,ekelerregendem Zustand» befand. Die Schaumstoffmatratze sei voller«undefinierbarer Flecken» gewesen, übersät mit Insekten und ohneÜberzug. «Die Toilette sowie der Trinkwasserspender waren völligverdreckt», heißt es in dem Bericht.
Zwtl.: Der Berliner Senat reagiert
Ähnliche grobe Mängel beanstandete die Kommission auch in anderenRäumen der Berliner Haftanstalt. In dem Bericht ist von «kärglicherAusstattung» und einem «hohen Verschmutzungsgrad» die Rede. Zudemseien zahlreiche Fenster mit Sichtblenden ausgestattet, dieverhinderten, dass genug Tageslicht und frische Luft in das Gebäudehinein kämen. Dass die Inspekteure in ihrer Bewertung größtenteilsrichtig lagen, dokumentiert die Reaktion der verantwortlichenBehörde: «Die Senatsverwaltung teilte mit, dass die hygienischenMängel zwischenzeitlich abgestellt worden seien.»
Dem Bericht zufolge gibt es in Deutschland 186 organisatorischselbstständige Justizvollzugsanstalten. Die Kommission besichtigtedavon sieben - sie entnahm also lediglich eine Stichprobe. Über dieGesamtsituation in deutschen Gefängnissen lässt sich auf dieserGrundlage sicher kein abschließendes Urteil fällen. Allerdings: Injeder der sieben Einrichtungen stellten die Experten Missständefest.
Zwtl.: Einblick in Personalakten
In der Justizvollzugsanstalt Bernau am Chiemsee betreuenbeispielsweise zweieinhalb Psychologen 859 Gefangene. Auch hierbemängelte die Kommission die hygienischen Verhältnisse: «Haus 9verfügt über lediglich 12 Gemeinschaftsduschen für circa 200Gefangene.» In einem Haftraum im Chemnitzer Frauengefängnis zeigtedas Thermometer andauernd 28 Grad Celsius an. DerJustizvollzugsanstalt Werl fehlte es an Fachpersonal in derAbteilung für Sicherheitsverwahrte. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Die Inspekteure nahmen auch Einblick in die Personalakten vonGefangenen. Auch hier gab es Auffälligkeiten: «Die Länderkommissionist besorgt über die Umstände, unter denen die Einzelhaft an zweiangetroffenen Insassen vollzogen wird», notierten die Inspekteurenach der Besichtigung der Justizvollzugsanstalt Dresden. Einer derbeiden Straftäter sei bereits seit 2009 in Einzelhaft. BeideGefangene befänden sich in Räumen mit wenig Tageslicht, die durcheine Gittertür gesichert seien. «Durch die Gittertür findet jeglicheKommunikation mit den Gefangenen statt», kritisieren die Experten.Mit den Befunden konfrontiert versicherte das sächsischeJustizministerium, der Fall werde «in einem Konzil» beraten.